Berliner Abiturienten im Rausch: Mit Glanz und Gloria

Auch ein Jahr nach dem Skandal um Easy Abi wird in Berlin die Hochschulreife pompös gefeiert. Doch bei der Organisation sind die SchülerInnen vorsichtiger geworden.

Abschluss ohne Party: Eine Abiturientin bei einer Demo in Berlin vor einem Jahr. Bild: dpa

Tarik schwärmt immer noch. „Die Stimmung war richtig gut“, sagt der Abiturient über den Abiball seines Jahrgangs. Wie die meisten Berliner Schulen hat auch Tariks Stufe den Schulabschluss pompös gefeiert: großer Saal, üppiges Buffet, auch Fotograf, DJ und zwei Tänzer durften nicht fehlen. „Auf unserem Ball waren sicherlich an die 1.000 Leute“, schätzt Tarik. Weil es einen doppelten Abschlussjahrgang gab, haben an seiner Schule, dem Max-Planck-Gymnasium in Mitte, 230 SchülerInnen die Hochschulreife erworben, 180 sind zum Ball gekommen.

Für eine prunkvolle Feier beauftragen viele Schulen auch ein Jahr nach dem Betrugsskandal um den Veranstalter Easy Abi Agenturen mit der Organisation. Easy Abi hatte im vergangenen Jahr 39 Schulen aus Berlin und Brandenburg um über 700.000 Euro geprellt.

„Wir waren in diesem Jahr vorsichtiger, haben uns mit dem Schulleiter abgesprochen“, sagt Tarik, der in seinem Jahrgang zum Abiballkomitee gehörte. „Viele Schulen haben direkt mit den Saalbetreibern Verträge abgeschlossen“, sagt Ralf Treptow, Vorsitzender der Vereinigung Berliner Oberstudiendirektoren und Schulleiter am Rosa-Luxemburg-Gymnasium. Das sei früher praktisch kaum möglich gewesen, weil viele potenzielle Locations den Weg über Event-Agenturen vorschrieben. Auch das Max-Planck-Gymnasium hat mit dem Maritim-Hotel direkt einen Vertrag abgeschlossen.

Geld aufs Treuhandkonto

Der Marktführer Berlin Event bestätigt, dass die Schulen in diesem Jahr vorsichtiger geworden seien. Viele würden ihr Geld zunächst auf ein Notar-Anderkonto zahlen. Tariks Abiball hat in diesem Jahr 35.000 Euro gekostet. „Das hängt vor allem mit dem Skandal vom letzten Jahr zusammen“, sagt die Marketingbeauftragte Henriette Seeck.

Auch für Tariks Abijahrgang gab es ein böses Erwachen. Schon im vergangenen Jahr hatte er zusammen mit den beiden anderen Komiteemitgliedern einen Vertrag über die Organisation der diesjährigen Feier bei Berlin Event unterschrieben. Dann kam plötzlich ein attraktives Angebot von Easy Abi. Dessen Vertreter versprach, sich um die Vertragskündigung bei Berlin Event zu kümmern. Weil das aber nie geschah, schickte Berlin Event später eine Rechnung in Höhe von 14.000 Euro. Nur Tarik und die beiden anderen Komiteemitglieder hatten unterschrieben, nun sollten die drei Jugendlichen allein für die Summe aufkommen. Vor wenigen Tagen einigten sie sich vor Gericht mit Berlin Event auf 4.500 Euro. „Zum Glück bleibt es nicht an uns hängen“, sagt Tarik. Sie gingen auf Unternehmen und einen Sportverein zu, die die Kosten übernahmen. Zusätzliches Geld brachten Abipartys und Kuchenverkäufe ein.

„Mein Eindruck ist, dass diese Branche sehr geldgierig ist“, sagt Karun Dutta, der als Rechtsanwalt sieben Schulen vertritt, die Opfer der Easy-Abi-Abzocke geworden sind. Dutta hofft darauf, dass es zu einer Anklage der Beschuldigten wegen Betrugs und nicht wegen Untreue kommt – in letzterem Fall gäbe es keine Entschädigung für die Schulen. Die Ermittlungen gegen die Geschäftsführer von Easy Abi laufen noch.

„Schmutziger Markt“

„Das ist ein schmutziger Markt“, sagt Andreas Lotz, dessen Agentur Lord of Event bislang auch Abibälle organisierte. Die Firma will sich davon nun zurückziehen und sich auf ihr Kerngeschäft, die Organisation von Konferenzen, konzentrieren. „Das letzte Jahr hat gezeigt, wie gefährlich und umkämpft dieser Markt ist“, sagt Lotz. Er glaubt nicht, dass sich daran etwas ändern wird, denn der Markt locke viele Firmen wegen der hohen Einnahmeaussichten. Rechtsanwalt Karun Dutta glaubt, angesichts der logistischen Anforderungen bleibe es für Schulden dennoch interessant, mit einer Agentur zu planen. „Wichtig ist nur, dass die vertragliche Verantwortung auf den ganzen Jahrgang verteilt ist – und nicht bloß auf die Schultern von ein paar Einzelnen.“

Dabei geht es auch anders. Die Neuköllner Otto-Hahn-Schule organisiert in diesem Jahr ihren Abiball ohne Agentur und hat sich einen Verlobungssaal in Kreuzberg gemietet. „Eigentlich fehlt es uns an nichts“, sagt die 20-jährige Amne kurz vor der Feier. Allerdings ist Amnes Jahrgang mit 45 SchülerInnen recht klein, sie rechnet mit 60 Personen. „Ich finde das schöner: Wir kennen uns alle, da kann man viel besser feiern.“

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