Alles auf null

KULTUR Mal bodenständig, mal abgedreht: Neun Jahre lang mischte die Galerie Zero in der Köpenicker Straße die Kunstszene auf. Nun schließt sie. Ein Besuch zum Abschied

„Wir haben das Gefühl, hier ein bisschen auf der Stelle zu treten“

GALERIST JACEK SLASKI

VON ANNA KLÖPPER

Die Einladungs-E-Mail zur großen Finissage mit Ausverkauf-Flohmarkt machte gleich richtig Lust zu kommen: „Nein, es war nicht die Gentrifizierung oder ein böser Hausbesitzer, der die Miete verdoppelt hat. Wir beenden aus freien Stücken unsere Tätigkeit in der Köpenicker Straße“, schrieben Anna Krenz und Jacek Slaski, die beiden – nun ehemaligen – Betreiber der Galerie Zero. Sie erstickten so die ewige G-Wort-Debatte, die sich bei der Lage der Galerie unweit der schwer hip gewordenen Partymeile rund um Schlesisches Tor und Oberbaumbrücke geradezu aufdrängte, schon im Keim.

Ein paar Tränen fließen dann aber doch bei Anna Krenz, der Künstlerin, studierten Architektin und Fachjournalistin für polnische Architekturmagazine, als ihr Partner Slaski nach neun Jahren Galerie Zero ein paar nüchterne, einleitende Worte des Abschieds spricht. „Als ich vor neun Jahren aus Polen nach Berlin gezogen bin, hatte ich erst mal gar nichts außer meinem Rucksack – dann habe ich Jacek getroffen und wir haben nach zwei Monaten die Galerie aufgemacht. Da bindet man sich natürlich emotional“, erklärt Krenz ihre Tränen.

Recht rationale Gründe

Die Gründe, warum das Paar Slaski-Krenz die erfolgreiche Galerie nun schließt, sind dagegen recht rational. „Wir haben das Gefühl, hier ein bisschen auf der Stelle zu treten und künstlerisch nicht mehr voranzukommen“, sagt Slaski, der neben der Galerie Zero – „meine Berufung!“ – auch noch Vollzeit als Redakteur bei einem Stadtmagazin arbeitet.

Anna Krenz nennt dann auch noch einen ganz pragmatischen Grund für die Finissage: „Jetzt, wo ich auch Mutter bin, habe ich einfach nicht mehr die nötige Energie übrig – eigentlich hatte ich mir das so vorgestellt, dass mein Sohn vorne spielt, während ich hinten im Büro sitze.“ Klappte natürlich nicht.

Hervorragend funktioniert am Samstagabend dagegen der Auftritt des Berliner Lyrikers Alexander Gumz, der für seinen ersten Gedichtband 2011 mit dem Clemens-Brentano-Preis ausgezeichnet wurde. Von ihm gibt es eine Lyrikperformance mit dem Titel „45 Seconds“ zu hören: kleine, feine 45-sekündige Vers-Perlen, jeweils zu einem Bild des Fotografen Michael Miess assoziiert. Erscheinen Miess’ Bilder dabei seltsam trostlos in ihrer Alltäglichkeit, taucht sie die schlichte Schönheit von Gumz’ Lyrik in eine mal mild-ironische, mal wilde Melancholie.

„Ist das Zukunft, oder kann das weg? Mach ein Foto, sei so nett“, liest Gumz zum Bild eines Mülltonnenensemble vor einer Graffitiwand. Und: „Wir tanzten auch mal auf Autodächern, schliefen in zu großen Schuhen“, zu der statischen Monstrosität eines Kreuzfahrtschiffs. Das dicht gedrängt stehende Publikum in dem kleinen Raum der Galerie Zero lauscht andächtig.

Irgendwie sperrig und gleichzeitig eingängig ist dann auch der Elektro-Rock des Berliner Indie-Trios „Floating Di Morel“. Da es draußen aber erstens noch zu hell und in dem 20-Quadratmeter-Würfel der Galerie zweitens zu eng zum Tanzen ist, widmet sich das angenehm unaufgeregte Finissage-Publikum erst mal – neben dem Bier natürlich, „deswegen kommen die Leute ja in Galerien“, so Slaski – dem Resteverkauf: LPs für ein paar Euro, Kunst- und Architekturmagazine geschenkt, Bücher, vom „Rough Guide: Rock“ bis zu „Der Brockhaus: Wirtschaft“. Unter einer Glasvitrine, allerdings einer ohne Schlüssel, liegt eine alte Ausgabe der Bravo vom März 1969. Auf dem Cover: Hans-Jürgen Bäumler, ein mittlerweile etwas in Vergessenheit geratener Schlagersänger, damals allerdings in der Tat recht hübsch anzuschauen. Auch ein gestricktes Wandbild, pastellgrün mit Hühnern darauf, ist zu erwerben, eine Schaufensterpuppe komplett mit rosa Federboa, ein hellblaues Hemd Größe XL originalverpackt, und ein Jesusbild, das in allen Regenbogenfarben blinkt.

So bunt durcheinander wie die Reminiszenzen an neun Galeriejahre war schließlich auch das künstlerische Konzept, das Slaski und Krenz verfolgten: Da gab es mal ganz bodenständige Projekte wie „Die Geschichte der Berliner Grenzkinos 1950–1961“ im August 2011. Dann aber auch abgedrehte Ausstellungen, wie die poppig-überdrehte Huldigung des polnischen Malers Bartek Jarmolinski an Michael Jackson im Oktober darauf.

Jackson-Bild an der Wand

Ein Jackson-Bild aus der Ausstellung ziert am Samstag die Wand gegenüber der Flohmarktecke. „Ein Highlight war auch 2008 die Ausstellung der Selbstporträts von Sandra Knight, der Exfrau von Jack Nicholson“, blickt Slaski zurück. „Und die Vernissage mit Originalbildern von Dee Dee Ramone, dem Bassisten der Ramones, kurz nach der Eröffnung 2003.“

Auf dem Bürgersteig vor der Galerie verschmelzen die elektronischen Minimalklänge des japanischen Installationskünstlers Seiji Morimoto mit den zufälligerweise perfekt dazu passenden Klangfetzen eines linken Straßenfests am Schlesischen Tor. Fast unbemerkt verdrückte Anna Krenz dazu noch ein, zwei Tränen.