Schwarze Hautfarbe machte verdächtig

JUSTIZ Polizisten waren wegen Körperverletzung verurteilt worden – nun gehen sie in Berufung

Er hatte Angst, es seien Nazis. Als ihm Handschellen angelegt wurden, ahnte er: Die Männer sind Polizisten

Amare B. wollte gerade mit einem Makler telefonieren. Doch bevor er dazu kam, griffen ihn einige Männer an. Sie rissen ihm das Handy weg, dann lag er mit dem Gesicht im Dreck. Zwei der Männer knieten auf dem Rücken des äthiopischstämmigen Deutschen. Der 37-jährige Elektroinstallateur litt unter akuter Atemnot, später bescheinigte man ihm eine Thoraxprellung. Er hatte Angst, in die Hände von Neonazis gefallen zu sein. Erst als ihm Handschellen angelegt wurden, ahnte er, dass die Angreifer Polizisten sein müssen.

Die Männer zerrten ihn wieder hoch und stießen ihn in ein parkendes Auto, wo sie seine Jacke durchsuchten. Dann durfte er gehen. Eine Woche später zeigte er den Vorfall an. Die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP) sieht in dem Fall einen weiteren Beleg für Racial Profiling durch die Polizei – also Vorfälle, in denen Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe in eine Polizeimaßnahme geraten.

Im August 2011 verurteilte das Amtsgericht Tiergarten zwei der beteiligten Polizisten wegen Körperverletzung im Amt zu sechs beziehungsweise sieben Monaten Haft auf Bewährung. Das Gericht war der Meinung, die Beamten hätten sich nicht für das mildeste Mittel entschieden und die Verletzungen des 36-Jährigen billigend in Kauf genommen. Die beiden Verurteilten gingen in Berufung, die nun vor dem Landgericht verhandelt wird.

Gestern berichtete einer der beiden Polizisten, Sascha G., dass er an jenem Nachmittag im Mai 2010 mit seinem Kollegen Frank S. Pfandflaschen zu einem Aldi gebracht hatte. Anschließend wollten die beiden die Wohnung eines tatverdächtigen Rauschgifthändlers durchsuchen. Doch im Supermarkt wurden die beiden Gesetzeshüter Zeuge eines versuchten Diebstahls: Zwei südländisch aussehende Männer wollten gerade einen befüllten Einkaufskorb durch das herausgehobene Drehkreuz und anschließend durch die Eingangsschleuse befördern.

Die Gesetzeshüter alarmierten das Personal, die Täter flohen – zum Tempelhofer Damm. Einer der beiden stieg über ein Fenster ins Erdgeschoss der Nummer 68. Vor diesem tristen Gebäude stand nun Amare B., der zuerst auf das Haus und dann zu den Polizisten geschaut habe, bevor er sein Handy zückte. Das machte ihn in den Augen der Beamten verdächtig. Wollte der Farbige die Diebe etwa vor der Polizei warnen?

An der Festnahme wollen sich die beiden Angeklagten nicht beteiligt haben – die habe ein von ihnen zur Unterstützung angeforderter Kollege durchgeführt. Erst im Oktober wird das Gericht dies letztlich bewerten.

UTA EISENHARDT