Baustelle mit Petersilie

STADTNATUR An einem Bauzaun am Mehringplatz gedeihen Kräuter und Kohl. Wer vorbeiläuft, kann sich bedienen. Die Initiatorinnen wünschen sich mehr „Gärten am Zaun“. Es fehlen Geld und Interessenten

Ein weißer Schmetterling hat sich im „Garten am Zaun“ niedergelassen und sitzt jetzt auf der Petersilie. Am Mehringplatz wird eine Fassade saniert, das Gebäude ist eingerüstet. Seit Mitte Juni ist aus dem Bauzaun ein kleiner Zaungarten geworden. Dort wachsen in Plastiksäcken und Tetrapaks neben Kräutern auch Kornblumen und Kohl. Jeder kann hier eigene Tetrapaks aufhängen und etwas pflanzen.

Hinter dem Zaun lärmen die Baumaschinen. Die Initiatorinnen des „Gartens am Zaun“, Anja Fiedler und Aino Stratemann, zeigen das Projekt gerade einer Gruppe Studenten, die sich mit Stadtplanung beschäftigen und den Zaun in eine interaktive Karte aufnehmen wollen.

Aspekte der Nachhaltigkeit

Das Interesse an dem Zaungarten ist groß, sagt Fiedler, die auch Initiatorin des Projekts „Stadt macht satt“ ist. Seit 2011 beschäftigt sie sich mit Aspekten rund um die Nachhaltigkeit bei Lebensmitteln und ihrer Verwertung. Wenigstens symbolisch will sie aufzeigen, dass auch in der Stadt die Beschaffung von Lebensmitteln anders funktionieren kann als nur mit einem Besuch beim Discounter.

Gebaut hat den „Garten am Zaun“ Aino Stratemann, die für die handwerkliche Unterstützung bei den „Stadt macht satt“-Projekten sorgt. Inzwischen sind an dem Bauzaun alle Ösen, die sie für eine weitere Bepflanzung angebracht hatte, belegt. „Ich muss vielleicht wieder ein paar nachbauen“, sagt sie. Um die Pflanzen am Zaun kümmere sich der Platzgärtner, der sie jeden Tag gieße. Auch für Stratemann geht es bei dem Garten neben einer „Wertschätzung der Ressourcen“ vor allem darum zu zeigen, „dass es möglich ist, Lebensqualität zu steigern“, sagt sie.

Finanziert wird der Zaun von der AOK, deren Gebäude hier saniert wird. So konnten Fiedler und Stratemann ihre seit zwei Jahren gehegte Idee vom Zaungarten endlich umsetzen. Sie würden gern weitere Zäune errichten, nur hätten sich noch keine Interessenten gemeldet, die sich einen „Garten am Zaun“ leisten wollen. „Wir finanzieren uns über Spenden“, sagt Fiedler, die hauptsächlich Workshops etwa für Schulen oder Familien zu nachhaltiger Nutzung von Lebensmitteln anbietet. Dafür hat sie den Begriff „Stadternte“ geprägt. „Stadternte heißt, ungenutzte Lebensmittel, die in der Stadt zur Verfügung stehen, zu ernten“, sagt sie. So könne man sich die Zutaten für Tees in der Natur zusammensuchen.

Eigentlich wollte Fiedler das Projekt „Stadt macht satt“ zeitlich begrenzen, um dann wieder als Kulturmanagerin zu arbeiten. „Aber irgendwie kann ich es nicht so richtig lassen“, sagt sie – auch wenn die finanzielle Zukunft ungewiss sei. „Es geht von Monat zu Monat“, sagt Fiedler. Die Zukunft des Gartens am Mehringplatz aber sei gesichert – bis die Baustelle fertig ist.

HELENA WITTLICH