Strommarkt: Verheddert im Stromkabelsalat

Verbraucherzentralen wollen Bürger zum Stromanbieterwechsel bewegen. Das Land aber soll bei Vattenfall bleiben, meint die Chefin von Berlins Verbraucherschutzzentrale. Ökoanbieter sind iriritiert.

Robin-Wood-Aktivist protestiert gegen Pannenkonzern Bild: dpa

Die Übersicht auf dem Strommarkt haben mittlerweile nicht nur viele Kunden verloren. Das zeigte am Freitag ausgerechnet eine Veranstaltung von Verbraucherschützern, die auf dem Wittenbergplatz für den unkomplizierten Anbieterwechsel werben wollten - mit auffälligen Überziehern für Stromkästen. Das seien "Verhüterli für Vattenfall", sagte Gerd Billen, Bundesvorsitzender der Verbraucherschutzzentrale. Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) war angetan und verkündete, dass das Land Berlin den wegen seiner anfälligen Atomkraftwerke in die Kritik geratenen Stromkonzern künftig nicht mehr als Lieferanten haben wolle. Doch dann sprach sich ausgerechnet die Geschäftsführerin der Berliner Verbraucherzentrale, Gabriele Francke, gegen Lompschers Pläne aus.

Seit 2000 sind die Strompreise im Bundesdurchschnitt um rund 50 Prozent gestiegen. Der Wechsel zu einem anderen Stromanbieter ist aber bisher gering geblieben. 80 Prozent der Berliner vertrauen immer noch Vattenfall, der die Pannen der Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel zu verantworten hat. Nun rufen Verbraucherschützer zum Wechsel auf (Text oben). Warum auch Verbraucherschützerin Francke keine Angst haben muss, ein Massenwechsel zu Ökostromanbietern könnte zu dunklen Räumen führen, erklärt die taz im Text unten. FLEE

"Ein Stromanbieterwechsel ist nicht zwangsläufig das Beste für das Land Berlin", sagte Francke der taz. Durch die Wechselbereitschaft der Endverbraucher komme zwar endlich Bewegung in den Markt. Das Land Berlin aber solle zunächst beobachten, ob man durch einen Wechsel des Grundversorgers nicht vom Regen in die Traufe komme, so Francke. Bei den drei anderen Großanbietern RWE, E.on und EnBW könne es schließlich genauso zu Störfällen wie zuletzt in den Vattenfall-Reaktoren Krümmel und Brunsbüttel kommen.

Und bei den alternativen Ökostromanbietern, so glaubt Francke, müsse man erst die Kapazitäten prüfen. "Ich bezweifle, dass eine Versorgung durch einen Anbieter, der keinen Atomstrom erzeugt, ausreichen würde".

"Diese Position sollte sie noch mal überdenken", sagt Michael Meier, Koordinator der Kampagne "Atomausstieg selber machen". Schon kämen 14 Prozent des bundesweit produzierten Stroms aus erneuerbaren Energiequellen. Damit könne man Berlin komplett versorgen.

Zudem ist der Verbraucherschützerin offenbar entgangen, dass in Berlin selbst mit Ökostrom das Licht nicht ausgeht. Bevor das Land 2006 nach einer europaweiten Ausschreibung Vattenfall den Zuschlag erteilte, hatten der Ökostromanbieter Lichtblick und eine belgische Firma zwei Jahre lang die landeseigenen Einrichtungen beliefert. "Da haben wir bewiesen, dass wir das Land voll wettbewerbsfähig versorgen können", sagte Lichtblicksprecher Gero Lücking. Auch Umweltsenatorin Lompscher ist optimistisch: "Es gibt genug Alternativen, um Berlins Stromhunger zu stillen."

Verbraucherschützer Billen forderte, dass Großabnehmer wie das Land Berlin ihren Einfluss geltend machen und durch einen Anbieterwechsel Verantwortung für die Umwelt übernehmen sollten. Ziel seiner Kampagne sei es, im nächsten halben Jahr noch 50.000 weitere Berliner vom Anbieterwechsel zu überzeugen. Bislang trennten sich rund 180.000 Kunden in der Hauptstadt vom Grundversorger Vattenfall, der nur noch 80 Prozent der Haushalte bedient.

Derzeit bekommt der Konzern 87 Millionen Euro vom Land. Dafür liefert er Strom aus Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, denn laut Parlamentsbeschluss darf Vattenfall dem Land keinen Atomstrom verkaufen. Lompscher schlägt für die Neuausschreibung der Strombelieferung 2009 vor, die Definition der umweltpolitischen Kriterien für die Konzerne zu verschärfen. Konkret soll sich die Ausschreibung nur noch an Anbieter richten, die selber keinen Atomstrom erzeugen.

Dabei gibt es jedoch juristische Bedenken. Der Ausschluss könnte gegen das Diskriminierungsverbots der EU verstoßen. "Wir gehen aber davon aus, dass es rechtlich möglich wäre, Atomstromproduzenten von der Ausschreibung auszuschließen", sagte Lompscher.

Kampagnen-Koordinator Meier verrät außerdem einen "Trick": Ein Mustervertrag des Bundesumweltministeriums ermögliche indirekt die Ausschließung von Atomstromerzeuger. Dies sei EU-konform, so Meier.

Derweil zeigen 14 Berliner Wohnungsunternehmen, dass sich mit dem Wechsel zu einem Ökostromanbieter auch Geld sparen lässt. Den Strom für die Beleuchtung von Treppenhäusern und Kellern für etwa 60.000 Mieter beziehen die Unternehmen künftig von Lichtblick. Dadurch werde nicht nur der CO2-Ausstoß reduziert, sondern insgesamt 100.000 Euro eingespart.

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