Dreck in Berliner Parks: Treffpunkt der Flaschen

Bei schönem Wetter sind die Parks überfüllt - und am nächsten Tag stapelt sich überall der Müll. Die Bezirke kostet die Schlamperei ihrer BürgerInnen viel Geld.

Es kann durchaus auch nett sein ijn Berliner Parks Bild: AP

Es ist ein romantisches Bild, wie Kreuzbergerinnen und Kreuzberger abends auf den Wiesen am Urbanhafen den Sonnenuntergang genießen. Gerne wird getrommelt oder Gitarre gespielt, zwischen Bäumen baumelnde Ballons weisen auf Kindergeburtstage hin, die am Nachmittag gefeiert wurden. Vereinzelt glühen Grillfeuer.

taz: Herr Becker, gehört zum Planen öffentlicher Grünanlagen auch das Nachdenken über die Abfallentsorgung?

Carlo Becker: Selbstverständlich. Parkanlagen werden ja nicht entworfen, damit man am Tag der Eröffnung ein schönes Foto machen kann. Sie werden jahrzehntelang genutzt. Müllentsorgung ist deshalb ein wesentliches Thema bei der Planung. Mit dem Planen programmieren wir eine bestimmte Nutzung von Grunflächen vor: Liegeflächen ziehen eher Jugendliche, Blumenrabatten eher SeniorInnen an. Wenn man einen Grillplatz einplant, weiß man, dass viel Müll, vor allem an den Wochenenden, anfallen wird. Wenn man eine Vorstellung davon hat, wer eine Anlage künftig nutzen wird, kann man auch überlegen, was für Müllanlagen benötigt werden.

Was ist da möglich?

Es gibt zwei grundverschiedene strategische Ansätze. Der eine: Man verzichtet ganz bewusst auf die Bereitstellung von Abfallbehältern in öffentlichen Parkanlagen und hofft damit an das Umweltbewusstsein der NutzerInnen zu appellieren, die ihren Müll mit nach Hause nehmen sollen. Der andere: Man bietet so viele Entsorgungsmöglichkeiten an, dass jeder Parkbesucher seinen Müll auf kurzem Weg entsorgen kann, und hofft damit zu verhindern, dass Müll in der Landschaft rumfliegt.

Welche der beiden Lösungen bevorzugen Sie?

Wir sehen zu, dass wir bei den Anlagen, die wir in Berlin planen und gestalten, vor allem im innerstädtischen Bereich und mit hoher Nutzungsintensität, Abfallbehälter anbieten. Bei Anlagen in Stadtrandbereichen kann man eher darauf verzichten, weil man davon ausgeht, dass die mehr von Ausflüglern genutzt werden, die nicht mit Pizzakartons vom Imbiss kommen, sondern eigenen Proviant mitbringen. Die eher auf den Raum eingestellt sind.

In Innenstadtparks gibt es also mehr Müllliegenlasser?

Das kann man grob so sagen. Das Umweltbewusstsein ist in verschiedenen Wohngegenden unterschiedlich: Je härter das Milieu ist, desto mehr Abfallentsorgungsangebote sollte man machen. Es geht in Parks ja schließlich auch um Schönheit: Wer einen Ort betritt, der ungepflegt und vermüllt ist, lässt selber eher noch was liegen. Wenn ich an einem ordentlichen Ort bin, habe ich eine höhere Hemmschwelle.

Sie sind also eher pro Mülleimer. Aber da gibt es dann ja noch viele verschiedene Möglichkeiten und Konzepte. Wie geht Ihre Planung weiter?

Man muss sich zum Beispiel Gedanken darüber machen, welche Art von Müll anfällt - eher Eispapier oder größere Tüten mit Picknickresten? Andererseits wollen wir niemanden animieren, seine Mülltüten von zu Hause im öffentlichen Park abzuladen - zu groß dürfen Müllbehälter deshalb auch nicht sein. Außerdem ist die Frage wichtig, wo Mülleimer stehen sollen. In der Nähe von Kinderspielplätzen etwa bedeuten Abfalleimer erhöhte Wespengefahr. Müll soll dort aber auch nicht herumliegen. Also müssen wir überlegen: Wo sind die Ein- und Ausgänge der Anlage? Ist es sinnvoll und ausreichend, dort Müllbehälter aufzustellen? Dann muss über die Entsorgung durch die Grünflächenämter nachgedacht werden: Kann man die Behälter mit dem Fahrzeug anfahren oder muss man zu Fuß gehen? Das ist ja auch eine Kostenfrage: Abfallentsorgung kostet richtig Geld.

Die Kosten für die spätere Entsorgung berücksichtigen Sie also bereits bei der Planung?

Ja. Es gibt Pflegekategorien für die Berliner Parks, an denen ich erkennen kann, wie viel Euro pro Quadratmeter später für die Pflege einer Grünanlage aufgewendet werden wird. Das sind zwischen 60 Cent und 2,20 Euro pro Quadratmeter und Jahr. Innenstadtanlagen bekommen mehr als solche am Stadtrand.

Das klingt nach wenig.

Darüber, dass das zu wenig ist, sind sich in Berlin eigentlich alle einig, die mit öffentlichen Grünflächen zu tun haben. Mit Ausnahme des Finanzsenators.

Und gespart wird dann bei der Müllentsorgung?

Das ist eine Entscheidung der Bezirksämter. Wenn ich weiß, wie viel oder besser wie wenig Geld ich für eine Anlage habe, kann ich Prioritäten setzen: Mähe ich den Rasen? Pflanze ich Blumen? Oder entsorge ich Müll? Wenn ich keine Müllentsorgung anbiete, habe ich mehr Geld für die Pflege der Parkanlagen. Es kann aber sein, dass es später teurer wird, weil ich den Müll aus der Parkanlage klauben muss.

Nicht mehr ganz so schön ist das Bild allerdings am nächsten Morgen. Pizzakartons, verkohlte Flächen, Scherben und Kronkorken erinnern an die Partys des Vorabends. Von dem Rasen zwischen Weg und Wasser ist nicht viel übrig, mageres braunes Gestrüpp auf festem Lehmboden lässt an lange Trockenzeiten denken. Doch es ist vor allem die intensive Nutzung, die das Grün so traurig verkümmern lässt.

"Es gibt Situationen, die aufgrund von Witterungsbedingungen für geraume Zeit unbefriedigend sind" - so die etwas technokratische Lagebeschreibung von Hilmar Schädel, Leiter des Fachbereichs Naturschutz und Grünflächen im Amt für Umwelt und Natur des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg. Anders ausgedrückt: Wenn wegen schönen Wetters bestimmte Grünflächen zeitweilig intensiver als sonst genutzt werden, ist das schön für die BesucherInnen - für das Grün meistens nicht.

85 Millionen Euro gibt Berlin jährlich für Pflege und Unterhaltung öffentlicher Grünanlagen aus. Wie viel jeweils für Pflege von Pflanzen, für den Unterhalt von Spielanlagen oder eben fürs Aufräumen ausgegeben wird, entscheiden die Bezirke.

Fremdfirmen räumen auf

Friedrichshain-Kreuzberg etwa bekommt 4,7 Millionen Euro für sein Grün - und gibt jährlich 600.000 Euro für die Reinigung auf. Erledigt wird die Aufgabe von einer Fremdfirma, die die Grünflächen in den Wintermonaten einmal, im Sommer zweimal pro Woche reinigt. Zwei Bezirksangestellte überprüfen diese Arbeit, die aus organisatorischen Gründen montags und donnerstags erledigt wird: "Ob die Reinigung erfolgt ist, muss immer am selben Tag kontrolliert werden", erklärt Hilmar Schädel. Später könne man nämlich oft nicht mehr erkennen, ob gereinigt wurde oder nicht.

Unter 1 Cent pro Quadratmeter pro Reinigungsgang liegen die Kosten für die Parksäuberung - das sind weniger als 80 Cent pro Quadratmeter im Jahr. Dennoch ist Friedrichshain-Kreuzberg berlinweit der teuerste Bezirk beim Parkputzen. Das liegt laut Chefgärtner Schädel zum einen an der großen Müllmenge, die der Bezirk aus den Grünanlagen klaubt, zum Zweiten daran, dass bei der Vergabe der Aufträge die Einhaltung der Tariflöhne ein Kriterium sei.

Vielleicht liegt es aber auch daran, dass andere Bezirke die Kosten für die Abfallbeseitigung anders berechnen. Neukölln etwa schreibt Pflege und Reinigung der Parks als einen Auftrag aus. Über Reinigungskosten pro Quadratmeter oder anfallende Müllmenge kann Bernd Kanat, Leiter des Naturschutz- und Grunflächenamts Neukölln, deshalb nichts sagen. Gereinigt wird in Neukölln aber nur einmal pro Woche. Um die Vermüllung der Parks dennoch zu verhindern, "bieten wir Beschäftigungsgesellschaften da Betätigungsfelder an", sagt Kanat.

1-Euro-Jobber im Einsatz

Auf den Einsatz von 1-Euro-Jobbern kann auch Friedrichshain-Kreuzberg nicht mehr ganz verzichten. Sie suchen etwa morgens den Sand von Spielplätzen nach gefährlichen Gegenständen ab. Von engagierten Bürgern, die ihre Grünanlagen selbst pflegen, träumen beide Bezirksgärtner. Realistisch ist das kaum. Nicht umsonst sind die großen Müllbehälter, die am Urbanhafen wegen der stärkeren Nutzung aufgestellt wurden, mit dicken Ketten befestigt. "Sie werden sonst gern ins Wasser gestoßen", erklärt Parkpfleger Schädel.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.