„So einen Park bauen zu dürfen ist Wahnsinn“

STADTNATUR Der Park am Gleisdreieck ist eine Erfolgsgeschichte. Das Landschaftsarchitektur Büro Loidl hat dafür gerade einen Preis erhalten. Ein Novum bei dem Projekt war die Bürgerbeteiligung. Der Stress hat sich gelohnt, sagt Projektleiter Felix Schwarz

■ wurde im Jahr 1971 in Erlangen geboren. Er hat in Berlin Landschaftsarchitektur studiert und ist seit dem Jahr 2007 Mitarbeiter des Ateliers Loidl. Beim Bau des Parks am Gleisdreieck war er Projektleiter.

INTERVIEW PLUTONIA PLARRE

taz: Herr Schwarz, das Landschaftsarchitekturbüro Loidl hat für den Park am Gleisdreieck gerade eine Auszeichnung im Rahmen des Deutschen Städtebaupreises bekommen. Auch die Besucher überschlagen sich vor Lob. Haben Sie das erwartet?

Felix Schwarz: Wir haben es gehofft. Der Park war für uns eine Herzensangelegenheit. Wo gibt es das denn noch: Solche Flächen in dieser Größe so innenstadtnah, die zu einem Park werden sollen? Dass man das bauen darf, ist schon irgendwie Wahnsinn. Die allermeisten Leute sagen, dass der Park von der Stimmung her so ein bisschen Berlin-Gefühl ausdrückt. Auch das freut uns natürlich sehr.

Was könnte damit gemeint sein?

Die Brüche. Man merkt, dass der Park in einem Prozess entstanden ist, nicht ganz schnell und auf einmal. Dass ganz unterschiedliche Dinge aneinander angrenzen. Dass alles so nebeneinander seinen Platz hat.

Bitte beschreiben Sie den Park für Leute, die ihn nicht kennen.

Es gibt drei Teile: der Flaschenhalspark ist der kleinste. Er ist dieses Jahr erst eröffnet worden und stellt den wildesten, natürlichsten Teil dar. Dort ist am meisten erhalten von der vorhandenen Vegetation und den Relikten an alten Schienen und Gleisen vom ehemaligen Güterbahnhof. Dies ist auch der einsamste Teil. Dann gibt es den Ostpark, der 2011 als Erstes eröffnet wurde, gefolgt vom Westpark 2013. Ostpark und Westpark sind von jeweils einer sehr großen, zusammenhängenden Rasen- und Wiesenfläche geprägt, die von einem dichten Baumrahmen eingefasst sind. Die Nutzungsintensität ist hier deutlich höher als im Flaschenhalspark.

Haben Sie eine Lieblingsstelle?

Ich gehe meistens in den Westpark. Die große Sitzstufenanlage am Tunnelmund finde ich ausnehmend gut. Der Charakter des Westparks ist dort am deutlichsten zu spüren.

Was ist das besondere Moment?

Die über die Brücken fahrenden U-Bahnen, die quietschen, vermitteln das Gefühl, mitten in der Stadt zu sein und doch draußen. Man sieht die Silhouette des Potsdamer Platzes und die langen Fluchten unter den Brücken, schaut auf Kleingärten und die Vegetation. Und man sieht die unterschiedlichsten Leute, die auf dem Tartanplatz in der Mitte alles Mögliche machen.

Tartan ist der grüne Gummibelag, mit dem die Aktionsfläche unter der Hochbahn ausgekleidet ist.

Die Fläche macht Angebote, die man sich aber erschließen muss. Es gibt kein richtiges Basketballfeld mit entsprechenden Abmessungen, keine Tore, keine Banden. Diese Art von Unreglementiertheit führt dazu, dass sich die Leute Spielformen ausdenken – und es funktioniert.

Zum Beispiel?

Neulich habe ich einen Mann Tennis spielen gesehen. Er hat den Ball immer gegen den Brückenpfeiler gehauen. Die Idee war, Räume zu schaffen, in denen man agiert und anderen zuschauen kann. Das Prinzip von Bühne und Tribüne – solche Sachen machen Parks interessant. Dann ist da noch dieses Licht.

Was ist daran bemerkenswert?

Die Farben, insbesondere in den Abendstunden, wenn die Sonne untergeht, sind beeindruckend. Man hat viel Himmel über sich, nicht nur einen kleinen Ausschnitt wie in den Straßen oder anderen Parks, die meistens schon sehr eingewachsen sind. Weite, Nähe, unterschiedliche Akzente der Stadt – das alles wird am Gleisdreieck sehr deutlich.

Gibt es noch eine andere Stelle, die Sie besonders mögen?

Das alte Poststellwerk an der ICE-Bahn, wo die Skateranlage ist, die auch sehr gut angenommen wird. Das Wäldchen dahinter mit den alten, verrosteten Schienen rahmt das Ganze.

Auf dem Areal des alten Güterbahnhofs war unter anderem eine Autobahn geplant. Ein breites Bündnis aus Anwohnern und Umweltgruppen hat sich dafür eingesetzt, dass die Fläche nicht bebaut wird. Was haben Sie von diesem Prozess mitbekommen?

Bei der Gestaltung des Parks war die Bürgerbeteiligung Teil des Konzepts. Aus der Historie heraus war das gar nicht anders möglich. Die Möglichkeit, an der Stelle einen Park zu bauen, geht ja auf das Engagement dieser Gruppen zurück. Es hat zahlreiche Gesprächsrunden mit einer aus Anwohnern und Interessierten bestehenden projektbegleitenden Arbeitsgruppe gegeben. Wir haben uns während der gesamten Planungszeit über Jahre hinweg alle vier Wochen getroffen. Ein bürgernahes Projekt in dieser Form war für alle ein Novum. Am Ende waren das mehr als 100 Sitzungen.

Im Unterschied zum Bauherrn – der Grün Berlin GmbH – und Ihnen – den Landschaftsarchitekten – wollten die Bürgervertreter möglichst viel von der ursprünglichen Wildnis belassen und die Struktur des alten Gleisdreiecks im Wesentlichen erhalten. Beschreiben Sie doch mal das Klima bei den Sitzungen.

Anfangs ging es sehr konfrontativ zu. Aber je länger der Prozess dauerte, desto konstruktiver wurden die Diskussionen. Beim Westpark gab es eine externe Moderation. Beim Ostpark hatte der Bauherr moderiert. Es war gut, einen unparteiischen Moderator zu haben, der zwischen den Standpunkten vermittelt.

Gab es oft Zoff?

Es war schon sehr emotional: Da flossen Tränen, da wurde geschrien, da wurde leidenschaftlich diskutiert, zum Teil manchmal ein bisschen unter der Gürtellinie.

Haben Sie insgeheim auch mal gedacht: „Ach leckt mich doch alle?“

Klar (lacht). Manchmal war es schon hart.

Aber der Stress hat sich gelohnt?

Ich finde ja. Die eigenen Überlegungen wurden immer wieder hinterfragt. Man musste sich rechtfertigen, begründen, argumentieren. Das führte dazu, dass man einmal mehr über die Dinge nachgedacht hat, als man es sonst getan hätte.

Was haben die Bürgervertreter letztendlich durchgesetzt?

■ Der Park erstreckt sich vom Landwehrkanal über die Yorckstraße bis zur Monumentenbrücke. Auf der Brache befanden sich einst der Anhalter- und Potsdamer Güterbahnhof am Gleisdreieck. Pläne, hier die Autobahn Westtangente zu ziehen, wurden 1994 auf Druck der Bürgerinitiative Westtangente aufgegeben.

■ Der Ostpark, rund 17 Hektar, wurde im September 2011 eröffnet; der Westpark, rund 9 Hektar, im Mai 2013. Als Letztes wurde im Frühjahr 2014 der Flaschenhalspark fertiggestellt.

■ Gesamtplanung und Entwurf stammen vom Atelier Loidl. Die Landschaftsarchitekten hatten sich 2006 mit ihrer Konzeption in einem zweistufigen landschaftsplanerischen Wettbewerb durchgesetzt. Am 9. Oktober 2014 bekam das Atelier Loidl im Rahmen des Deutschen Städtebaupreises für den Park eine Sonderauszeichnung. Das Motto des Preises lautete „Neue Wege in der Stadt“. (plu)

Das prominenteste Beispiel ist, dass die Kleingärten erhalten worden sind. In der ursprünglichen Planung waren sie nicht mehr vorgesehen. Uns wurde immer vorgeworfen, wir wollten Tabula rasa machen. Alles abholzen. Das würde ich so nicht unterschreiben.

Wie war es dann?

Unsere Meinung war, dass auch die eingezäunten Parzellen zukünftig als frei zugängliche Parkfläche der Allgemeinheit zur Verfügung stehen sollten.

Wie sehen Sie das heute?

Jetzt, da alles fertig ist, sind wir durchaus der Meinung, dass die Kleingartenanlage eine Qualität für den Park hat. Sie verkörpert eine weitere attraktive Stimmung neben den Bahnanlagen und Brücken.

Auf der Wunschliste der Bürgervertreter steht noch ein Hügel zum Rodeln.

Den Wunsch kenne ich (lacht). Wir haben nichts gegen Rodelhügel, aber mitten im Park? Nein, echt nicht. Die Geschichte des Geländes und auch die Gestalt des Parks sind so gar nicht von Topographie geprägt. Wir haben da nie Hügel gesehen, die zum Rodeln ja auch noch entsprechend hoch sein müssten.

Was ist mit der ursprünglich geplanten Brücke, die den Ost- und Westpark miteinander verbinden sollte?

Toll wär’s.

Das klingt nicht gerade zuversichtlich.

Man müsste über die ICE-Trasse drüber. Man hat da eine lichte Höhe von 16 Metern, die man auch barrierefrei erreichen können muss. Das wäre ein riesiges Bauwerk. Im Wettbewerb war die Brücke noch drin. Aber ich glaube, sie steht nicht mehr auf der Agenda.