NEU IM KINO
: Diese Woche frisch

PollEin junges Mädchen reist im Sommer 1914 an die baltische Ostseeküste. Die Mutter ist gestorben, jetzt soll sie beim Vater leben, einem skurrilen Hirnforscher. Das Ganze spielt in einem auf Holzstelzen in die Ostsee gebauten Gutshaus: edel und kaputt. Man sieht schon diesem Haus an, dass diese russisch-baltisch-deutsche Adelswelt dem Untergang geweiht ist. Tod in Poll. Männer philosophieren in weißen Leinenanzügen, man tauscht schmachtende oder böse Blicke. Oben macht man Hausmusik, unten werden Leichen von Anarchisten zersägt. Satte Farben, zarte Gefühle, unterdrückte Leidenschaften und viel zu viele Geigen. Chris Kraus, der in „Vier Minuten“ eigentlich sein Talent für rasantes, gefühlsdichtes Kino bewiesen hat, sammelt in „Poll“ Postkartenbilder, schön, erlesen und nie originell. Hübsch spritzt die Gischt, wenn Reiterstaffeln am Strand entlang galoppieren. In 12 Kinos

Mein GlückIn der ersten Einstellung wird Zement angerührt; in der zweiten ein Mann über den Boden geschleift; in der dritten wird er in eine Grube geworfen und mit Zement überschüttet; in der vierten schiebt ein Bagger Erde über die einbetonierte Leiche. Sergei Loznitsas „Mein Glück“ ist ein Film, der keine Gefangenen macht. In einem der finstersten, nihilistischsten Filme der letzten Jahre wird eine Welt beschrieben, der der zivilisatorische Firnis gründlich abhanden gekommen ist. Man kann vieles bewundern an „Mein Glück“: den erzählerischen Wagemut, die bildästhetische Konsequenz. Fasst man allerdings den Film als politisch-historische Allegorie, bleibt deren Gehalt etwas schlicht: Erstens ist der Mensch im postsozialistischen Russland dem Menschen ein Wolf. Und vor der Öffnung des eisernen Vorhangs war es zweitens auch nicht besser. Babylon Mitte, Eiszeit, Krokodil