OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Immer wenn der Name Henny Porten fällt, muss ich an einen Kollegen denken, der vor rund zwanzig Jahren einmal einen Text für die taz schrieb, in dem er die Schauspielerin als den „mütterlichen Star des deutschen Stummfilms“ bezeichnete. Nur hatte leider irgendjemand aus der Henny einen Henry gemacht, was dann nicht mehr so gut passte und den Kollegen noch heute aufregt. Die vom Filmpionier Oskar Messter entdeckte Porten war neben Asta Nielsen der erste große Star des deutschen Kinos, und – im Gegensatz zu Nielsen – in ihrer keuschen Blondheit die idealtypische Frau der wilhelminischen Epoche. Besonders erfolgreich war sie in emotional stark aufgeladenen, in kleinbürgerlichen oder ländlichen Milieus spielenden Melodramen – der Großteil des Publikums stammte damals aus den gleichen Schichten. Zu diesen Filmen gehört auch der 1923 unter der Regie von Svend Gade entstandene „Das Geheimnis von Brinkenhof“, den das Zeughauskino in seiner Reihe „Wiederentdeckt“ zeigt: Als Gutsherrin im Sauerländischen bekommt sie es bis zum Happy End mit diversen dramatischen Schicksalsschlägen zu tun, wobei die durch einen erpresserischen Onkel immer wieder aufgerührten Erinnerungen an eine tragische Liebe und deren Folgen besonders schwer wiegen. Der Filmhistoriker Jürgen Kasten wird eine Einführung zum Film geben und dabei auch die von ihm gemeinsam mit Jeanpaul Goergen herausgegebene neue Studie „Henny Porten – Gretchen und Germania“ vorstellen, die anhand von Essays über eher unbekanntere Filme des Stars einen neuen Blick auf das Image Portens und die frühe Phase des deutschen Kinos wirft. (4. 5. Zeughauskino)

In seinen Filmen nach dem Zweiten Weltkrieg behandelte Yasujiro Ozu insbesondere ein Thema immer wieder: das Verhältnis von Eltern zu ihren Kindern, in dem sich auch langsam eintretende Veränderungen in der zuvor sehr traditionellen japanischen Gesellschaft widerspiegeln. „Banshun“ (Später Frühling; 1949) ist einer der ersten Filme Ozus zu diesem Thema, das er in Spätwerken wie „Spätherbst“ und „Ein Herbstnachmittag“ meisterhaft variierte. Das Drama kreist um einen verwitweten Professor (Chishu Ryu), der von seiner 27-jährigen Tochter (Setsuko Hara) versorgt wird, deren Hilfe und Gesellschaft er gern in Anspruch nimmt. Doch zugleich ist ihm klar, dass die Tochter auch ihre eigene Familie gründen muss. Als diese sich jedoch weigert, zu heiraten, weil sie den Vater nicht verlassen will, täuscht er vor, sich selbst wieder vermählen zu wollen. Im Rahmen dieser ruhigen Familiengeschichte kommen auch andere wichtige Themen Ozus einmal mehr zum Tragen, wie etwa der Einbruch westlicher Lebensweisen in die japanische Gesellschaft und die damit einhergehende veränderte Stellung der Frau. Ozus Filme betonen die Notwendigkeit des natürlichen Lebenszyklus ohne übersteigertes Drama, aber auch ohne Happy End: Am Ende des notwendigen Abnabelungsprozesses erwartet die ältere Generation immer die Einsamkeit. (OmU, 9. 5. Arsenal) LARS PENNING