Postmoderner Horror auf Stechapfeltee

PARALLELWELTEN Die Fantasy Filmfest Nights zeigen, was das Genre aktuell zu bieten hat. Dabei kommen rustikale Funsplatter-Fans wie Psychedelic-Ästheten gleichermaßen auf ihre Kosten

Es überrascht kaum, dass man mit einer Bratwurst ins Jenseits telefonieren kann – eher, dass sie unter Netzproblemen leidet

VON THOMAS GROH

„John Dies at the End“ – wer sich so über einen Film äußert, kriegt in der filmaffinen Netzcommunity umgehend einiges zu hören: Spoiler, rufen alle empört, die sich wegen zu vieler Enthüllungen um den Filmgenuss gebracht sehen. Wenn ein Film den Spoiler nun aber schon im Titel trägt, ist an der Sache etwas faul: Entweder hat das Marketing gepennt – oder der Film wartet mit einem Füllhorn weiterer Überraschungen auf, die eine solche lapidare Information sehr irrelevant erscheinen lassen.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Für Don Coscarellis gleichnamige Verfilmung von David Wongs Roman aus der pulp-surrealistischen Horror-Spielart Bizarro Fiction gilt eindeutig Letzteres. In der delirierenden Geschichte um zwei Collegejungs, denen der Konsum einer schlicht „Sojasauce“ genannten Droge erst übersinnliche Fähigkeiten verleiht sowie Einblick in eine groteske, in unsere hineinlappende Dimension gestattet, überrascht es kaum, dass man mit einer Bratwurst ins Jenseits telefonieren kann. Eher schon, dass auch eine Bratwurst unter Netzproblemen leidet.

Die erzählerischen Koordinaten Zeit und Raum erklärt „John Dies at the End“ – am kommenden Sonntag bei den Fantasy Filmfest Nights zu sehen – nach und nach für obsolet. Was als Funsplatter beginnt, endet im interdimensionalen Delirium, Paralleluniversum und Giganto-Dämon inklusive. Wie das nennen? Postmodernen Horror auf Stechapfeltee? Vielleicht wirklich – mit dem Unterschied allerdings, dass Don Coscarelli sich weniger aufs gewitzte Apropos zurückzieht und in der ironisierenden Collage des Altbekannten ästhetischen Dandyismus pflegt.

Statt dessen umarmt Coscarelli den psychedelischen Irrsinn von Parallelwelten und finsteren Dämonen aus vollstem Herzen, pflegt ihn und findet – seit seinem 1979er Kultfilm „Phantasm“ immerhin schon – immer wieder neue Verschaltungen der Versatzstücke. Anders als seine Zeitgenossen Romero, Carpenter und Cronenberg ist Coscarelli dabei nie in den Rang eines Auteurs aufgestiegen, der das Genrekino als Ausdrucksmittel für persönliche Anliegen nutzt. Nichts in seinen Filmen muss man als Metapher oder Allegorie verstehen – eher ist er der Bastler im Genre, der im Basteln daran schon den eigentlichen Zweck erkannt hat: Und so ist gerade der höchst respektabel ziemlich schief geratene und wegen seiner Nonchalance darin sehr beeindruckende „John Dies at the End“ eine fernab der Filmindustrie entstandene Collage, der alles, was der Horror an grotesk-burleskem Wahnwitz abwirft, Material ist.

Auch ein Sammelsurium beknackter bis vom Irrsinn geküsster Ideen ist der traditionelle Anthologiefilm, in diesem Fall „The ABCs of Death“, in dem 26 Regisseure den Buchstaben des Alphabets mit ästhetisch äußerst disparaten Miniaturen folgen. Doch die nekrophile Letternlehre entpuppt sich rasch als Gemischtwarenladen für den morbiden Alltagsbedarf: Neben der so präzisen wie sinnlichen Experimentalfilm-Meditation „O is for Orgasm“ des Duos Forzani/Cattet stehen depperte japanische Pups-Gags für Humoramputierte oder immerhin schön rau geratene Prügelorgien aus Spanien. Dem für seine Neigung zum rustikalen Funsplatter berüchtigten Stammpublikum des Fantasy Filmfests dürfte solcherlei Kurzweil im Minutentakt unterdessen wohl durchaus munden.

Deutlich mehr Gravitas bringt der spanische „Painless“ ins Spiel, der den Spanischen Bürgerkrieg, Nazis und die Kommunistenhatz unter Franco rund um eine abseits gelegene Burg gruppiert, auf der Wissenschaftler Untersuchungen an Kindern, deren Schmerzempfinden ausgeschaltet ist, durchführen. Gekreuzt ist die Geschichte vor historischer Kulisse mit der heutigen Suche eines Mannes nach seinen Eltern, die ihn zur selben Burg führt. Man ahnt, dass es dem Film allegorisch um spanische Geschichte geht, auch wenn ihm die eigene schließlich uninspiriert zerflattert, als hätte man nicht gewusst, wie man’s zu Ende bringen soll. Da hat „John Dies at the End“ sichtlich die Nase vorn.

■ Fantasy Filmfest Nights: 23. & 24. März im Cinestar Sony Center, Programm: www.fantasyfilmfest.com