Positionen und Propaganda

ZEITGESCHICHTE Bildzeugen des Spanischen Bürgerkriegs: In der Reihe „Umbrüche: Film als zeitgenössischer Akteur“ im Zeughauskino jagt eine Rarität die andere

Neben Francos Truppen fraß auch die Revolution selbst ihre Kinder

VON BARBARA WURM

Ernest Hemingways Overvoice-Kommentar zum Blick eines jungen Republikaners im Schützengraben ist trocken, aber mit würdiger Anteilnahme: „Im Angesicht des Todes können Menschen vor der Kamera nicht spielen.“ Das ist nicht zuletzt ein Hinweis darauf, dass die während des Spanischen Bürgerkrieges entstandenen Bilder im maximalen Sinn dokumentarisch sind. Genau deshalb gehen sie einem nicht so schnell aus dem Kopf. Besonders jene nicht, die von der frohgemut-ernsthaften Entschlossenheit der freiwilligen Volksfront-Unterstützer in den ersten Kriegsjahren 1936 und 1937 zeugen. Aber auch der zweite Typ – die filmischen Dokumente der Putschisten-Gräueltaten gegen die Zivilbevölkerung, allen voran der ikonografisch gewordenen Bombardierung der Baskenstadt Guernica durch die Legion Condor – wirkt bis heute prägend.

„The Spanish Earth“ des linken Dok-Großmeisters Joris Ivens, im Frühjahr 1937 entstanden und (narrativ) unterstützt von Hemingway und Dos Passos, eröffnet die dem Spanischen Bürgerkrieg gewidmete Filmreihe „Umbrüche: Film als zeitgenössischer Akteur“, die von Tobias Hering kuratiert von 28.–30. Januar und von 10.–12. März im Zeughauskino zu sehen ist. Es ist ein (für die zeitgeschichtliche Nähe ziemlich durchkomponierter) Film, der mal lyrisch, mal laut „An die Waffen“ ruft, der klar Position bezieht und Propaganda betreibt (warum sollte er das auch nicht?) und der anhand seines Protagonisten Julian die militärische Verteidigung der Erde geschickt mit dem antibourgeoisen Topos ihrer kollektiven Urbarmachung verknüpft.

Für Ivens und auch für „España 1937“ von Jean-Paul Le Chanois und Luis Buñuel, einer detailreichen Montage aus diversem Wochenschaumaterial, die wie „The Spanish Earth“ und Seite an Seite mit Picassos Monumentalarbeit „Guernica“ auf der Pariser Weltausstellung 1937 im spanischen Pavillon gezeigt wurde, stand eines fest: dass die nationalistisch-faschistischen Söldnerheere nur durch die disziplinierte Formierung zu einer einheitlichen Volksarmee zu stoppen sind. Denn die spanische Republik, so der Off-Text von „España 1937“, vergießt ihr Blut um der Zukunft und des Friedens in Europa willen – und nicht, so sollte man wohl ergänzen, für einen abstrakt moskowitischen Marxismus oder einen konkreten Stalinismus.

Erst 1995 wird sich Ken Loachs Spielfilm „Land and Freedom“ der Binnendifferenzierung der sozialdemokratisch-kommunistisch-anarchosyndikalistischen Milizgruppen widmen und nicht mehr ausblenden können, dass neben Francos Truppen auch die Revolution selbst ihre Kinder fraß.

Filmhistorisch jagt in diesem Programm eine Rarität die andere. Das betrifft die Guernica-Kurzfilmexperimente von Robert Flaherty (1949), Helge Ernst (1950) und Resnais/Hessens (1950), die einzige Regiearbeit von André Malraux („L’Espoir“) oder drei großartige Filme aus den politisierten 70ern: Peter Nestlers „Spanien!“, Interviews mit internationalen Brigadisten, kommunistische Biografien allesamt, harsch montiert mit Fotos, Zitaten und eigenem Material, das die Melange aus Tourismus und Franco-Reich entblößt; Fernando Arrabals surreal-anarchistische Gewaltorgie „The Guernica Tree“, Bürgerkrieg als Kollektivpsychose; und „Unversöhnliche Erinnerungen“ (Volkenborn/Feindt/Siebig), zwei Deutsche beim Blick zurück auf ihren Spanien-Einsatz: ein Maurer, Remscheider Mietwohnung, ohne Ehr’ und Rente, aber bis heute Antifaschist, dagegen der in einer Frankfurter Villa logierende General a. D., Ex-Jagdflieder in der Legion Condor, der Treue als Wert gern völlig unabhängig von „Herrn Hitler“ sehen möchte.

Doch der erste Front(kamera)mann der Retro ist und bleibt der sowjetische Dokumentarist Roman Karmen. Seine Wochenschaubeiträge „Zu den Ereignissen in Spanien“, die er schon ab 1936 lieferte, bilden den filmisch-ideologischen Grundstock für alle weiteren Produktionen an der spanischen Bürgerkriegsfront. Die Faust geballt. Film als Waffe. „¡No pasarán!“

■ „Umbrüche: Film als zeitgenössischer Akteur“. Zeughauskino, 28.–30. 1., 10.–12. 3., dhm.de