Machtkampf beim "Spiegel": Rückendeckung für Verlagschef

Es hat etwas von Frühlingstheater: Im Grundsatzstreit um die Führung des "Spiegels" erteilte der Vorstandschef von Mitgesellschafter Gruner+Jahr ungebetene Ratschläge.

Streit im Spiegel-Haus: Die Mitarbeiter KG möchte ihren Verlagsgeschäftsführer loswerden. Bild: dpa

Die verfahrene Situation beim Spiegel ist bekannt: Die mächtige Mitarbeiter KG will Verlagsgeschäftsführer Mario Frank entmachten. Gruner+Jahr-Chef Bernd Kundrun hält eisern dagegen - und stellt sich demonstrativ hinter Frank.

Wenn Kundrun nun der Mitarbeiter KG rät, "vertraulich auf den anderen Gesellschafter", also G+J, zuzugehen, scheint das auf den ersten Blick sinnvoll. Denn man müsse, so Kundrun, doch "auch Abstand gewinnen von einem Stil, der die vertrauliche Beratung durch das Lancieren von Interna oder durch die öffentliche Demontage ersetzt". Allerdings fiel der Ratschlag nicht als Gesprächsangebot in irgendeinem Hamburger Hinterzimmer. Sondern Kundrun erteilte ihn mit großer Geste per Umweg über München - im Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

Damit bleibt der Karren solide im Dreck. Schließlich hatte sich die Spiegel-MitarbeiterInnen erst am Dienstag fast geschlossen zum Anti-Frank-Kurs bekannt und den fünf Geschäftsführern der Mitarbeiter KG den Rücken gestärkt. Sie ist mit 50,5 Prozent der Anteile Hauptinhaber des Spiegels, Bertelsmann-Tochter Gruner+Jahr hält mit 25,5 Prozent die Sperrminorität: Ohne Zustimmung von G+J können weder Chefredaktion noch Geschäftsführung ausgetauscht werden. Die Kinder von Spiegel-Gründer Rudolf Augstein (24 Prozent) sind de facto entmachtet.

In der SZ legt Kundrun nun nach: "Wir wollen die Unabhängigkeit und Autorität der Geschäftsführung garantieren", so der G+J -Chef: "Um nichts anderes geht es." Schließlich hätten sich auch Kundruns Vorgänger Gerd Schulte-Hillen oder der erst vor ein paar Wochen offiziell als Spiegel-Chefredakteur ausgeschiedene Stefan Aust am Anfang mit "einer ablehnenden Mehrheit im eigenen Haus" herumschlagen müssen.

Dass Mario Frank, der Anfang 2007 von G+J zum Spiegel-Verlag kam, nach Sicht der Spiegel-MitarbeiterInnen kein Verständnis für die besondere Kultur beim Spiegel gezeigt hat, sein Führungsstil umstritten ist, tut dem keinen Abbruch: "Ich kenne nur Büro-Anekdoten, die kolportiert wurden", sagt Kundrun - und kritisiert die Konsenskultur beim Nachrichtenmagazin: Frank habe "Konflikte nicht gescheut. Es mag sein, dass er dabei gegen eine Konsenskultur verstoßen hat. Natürlich muss ein Geschäftsführer auf der einen Seite den Konsens suchen. Auf der anderen Seite verlangt die Führungsaufgabe aber, dass er für das einsteht, was er für richtig hält." Für ihn, Kundrun, sei nun die Mitarbeiter KG am Zuge: "Darauf warte ich jetzt".

Dass sich der G+J-Boss so beim Spiegel beliebter macht, dürfte ausgeschlossen sein. Der Machtkampf zwischen MitarbeiterInnen und Großverlag bleibt offen. Mario Frank auf dem Posten des Geschäftsführers "würde keiner mehr akzeptieren", sagt ein Insider. Auch wenn der öffentliche Klamauk um die Verlagsführung fatal an die ebenso verkorkste Absetzung von Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust und die dilettantische Nachfolgersuche erinnert, die eher zu gleichen Teilen aufs Konto von Frank und der Mitarbeiter KG ging - die Sache hat auch ihr Gutes: "Im Inneren schweißt das den Laden zusammen", heißt es am Spiegel-Sitz: "Früher gab es in der Redaktion Fraktionen", heute sei man "zu 99 Prozent der Meinung, dass Frank weg muss."

Ein Verlierer der Fortsetzung des Hamburger Frühlingstheaters dürfte jedoch die neue Chefredaktion sein: Über den gelungen Start des Teams Mascolo/Blumencron redet derzeit keiner.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.