Online auf Sparflamme

Eigentlich sollte die Netzeitung den großspurig angekündigten Online-Ausbau beim Berliner Verlag vorantreiben. Doch jetzt muss auch sie mitsparen – und steht vielleicht sogar ganz zur Disposition

Auch in den Niederlanden wächst der Druck auf David Montgomery. Hier gehören seiner Mecom-Holding seit 2007 die Regionalzeitungen der Wegener-Gruppe. Sie sollen rund 10 Prozent des Personals abbauen, von bis zu 465 Jobs, die wegfallen sollen, ist die Rede. Die Stimmung ist schlecht, schon Anfang Juni hatten sich die Chefredakteure der Blätter mit einem geharnischten Brief an die Mecom-Vorstände gewandt: „Seit dem Kauf sind wir mit einer kurzfristigen Finanzpolitik konfrontiert“, heißt es darin, eine inhaltliche Strategie und Führung fehle „seit Monaten komplett“. Auf diese Weise „kannibalisiert Wegener seine eigene Zukunft“. Die Profiterwartungen, die Mecom vorgebe, „haben zu einer Panik geführt, die sich jetzt bis in den letzten Teil unseres Unternehmens verbreitet hat“. Gestern liefen bei den betroffenen Titeln Protestaktionen, Verlagsleiter wurden aus dem Urlaub zurückbeordert. Montgomery selbst soll einen eigentlich für diese Woche geplanten Auftritt in Holland abgesagt haben. STG

AUS BERLIN KLAUS RAAB

Verkauf? „Das Wort ist nicht gefallen“, sagt Netzeitungs-Betriebsrat Matthias Breitinger. „Und ich glaube auch nicht, dass es darum geht, die Netzeitung zuzumachen.“ Doch die erste nur im Internet erscheinende Zeitung Deutschlands, 2000 vom norwegischen Unternehmen Nettavisen gegründet, gehört seit dem vergangenen Jahr wie die Berliner Zeitung zur Mecom-Holding von David Montgomery. Dort soll trotz guter Zahlen weiter gespart werden, und dazu müsse nun auch die Netzeitung ihren Beitrag leisten, hieß es auf einer Krisensitzung.

Josef Depenbrock spricht

Wie genau das aussehen soll, ist derzeit schwer in Erfahrung zu bringen: Der Geschäftsführer der Netzeitung etwa, Robert Daubner, beantwortete mehrere taz-Interviewanfragen nicht einmal mit einer Absage. Wer am Mittwoch dagegen zum ersten Mal seit langem beim Arbeitsgerichtsverfahren der Berliner Zeitung (siehe Seite 13) Fragen der Presse beantwortet, ist Josef Depenbrock, Geschäftsführer und Chefredakteur des Blattes. Die Gerüchte zerstreuen kann er aber auch nicht. „Die Netzeitung ist weiterhin integral dabei“, sagt er, befragt zum Onlinekonzept des Verlags, man werde „alle Webseiten unserer Gruppe relaunchen“. Und kassiert seine Aussage wieder: „Die Frage der Kosten ist natürlich auch im Onlinegeschäft entscheidend.“

Dass der Online-Bereich der Berliner Zeitung jedenfalls weder sofort noch mittelfristig wie eigentlich geplant weiter ausgebaut werde, hatte Depenbrock schon in der vergangenen Woche seinen RedakteurInnen eröffnet: Online habe „nicht mehr oberste Priorität“, so Depenbrock.

Dabei hatte David Montgomery, der Vorstandsvorsitzende der Mecom, erst im Herbst das Schlagwort „Communication first!“ ausgeworfen und damit die „Transformationsphase“ seiner Berliner Titel eingeläutet. Seitdem hatte er in jedes Mikrofon, das ihm jemand hinhielt, gesagt, die Zukunft liege im Internet. Er wolle Redaktionen verzahnen, die bisher getrennt gedacht wurden; mehrere Vertriebs- und Aufbereitungswege für denselben Inhalt ausbauen und jede Redaktion in ein „Content Department“ umwandeln, das für Print und Online gleichermaßen arbeite.

Netzeitungs-Chefredakteurin Domenika Ahlrichs rückte in die Chefredaktion der Berliner Zeitung auf. Sie sollte die Verzahnung von Print und Online übernehmen und vorantreiben. Es klang wie ein Plan – von dem nicht alle Mitarbeiter des Verlags begeistert waren.

Aber es war ein Plan. Domenika Ahlrichs leitete Arbeitsgruppen mit Mitarbeitern der Berliner Zeitung und sprach im taz-Interview davon, dass es seitens der Redakteure keine Verweigerungshaltung gebe. Nur „eine Handvoll Leute“ brauche man zusätzlich, um die Verzahnung der Medien sinnvoll hinzubekommen, sagte sie. Morgen hätte die Belegschaft in den neuen Newsroom im 13. Stock des Verlagsgebäudes am Alexanderplatz ziehen sollen, dorthin, wo Montgomerys Vision von der crossmedialen Verzahnung Wirklichkeit werden sollte. Die Möbel dafür gibt es. Den Umzug jetzt aber nicht.

Geschäftsführer Depenbrock erklärt das so: Es müsse erst einmal eine Struktur geben und eine entscheidende Frage beantwortet werden: „Nimmt die Redaktion an den Prozessen des Online-Publishings teil? Und das ist bei uns problematisch.“ Was man in der Redaktion wiederum nicht bestätigen mag. Die Arbeitsgruppen seien ergiebig gewesen, heißt es, Ahlrichs hätte am Montag in der Redaktionskonferenz mit dem fertigen Konzept gewedelt, und im Herbst hätte es umgesetzt werden sollen. „Es fehlen einfach ein paar Leute“, sagt eine Redakteurin.

Es fehlt an Personal

Wenn Depenbrock nun sage, „es sei problematisch, dann meint er wohl, es ist schwierig, nach einem 10-Stunden-Tag noch zusätzlich online zu machen. Da stimme ich ihm zu.“

Und so bleibt offen, was die plötzliche Strategieänderung zu bedeuten hat. Bei der Netzeitung heißt es nur: „Es gibt Unverständnis darüber, dass das, was immer vorangetrieben wurde, nun von heute auf morgen gestoppt wird.“ Immerhin entsteht unter dem Dach der Netzeitung GmbH auch der Teletext für die Sender der ProSiebenSat.1-Gruppe. Das bringt Einnahmen, erst im Dezember wurde der Vertrag um drei Jahre verlängert.

Und erst zu Weihnachten hatte die Geschäftsführung des Berliner Verlags den Mitarbeitern programmatische Geschenke gemacht: Polohemden. Mit der Aufschrift: „Go online!“