HEADLINE, RÜCKSCHRITT & UNWORT 2010, MUTTER ALLER TV-WALE
: „Charleys Tante“ heißt Konstantin Neven DuMont

Liebe taz-Medienredaktion, ich glaub, ich brech mein Zelt an der Medienfront ab. Der Grund? Es ist alles gelaufen. Die ersten Tage bilden bereits das mediale Leben als Mikrokosmos ab, da kommt nichts mehr.

So hat sich am 1. Januar schon der 360-Tage-Krieg um die beste Headline entschieden. Hier werden Überschriften ausgezeichnet, die ein gelungenes Zitat darstellen und eine wegweisende Aussage aufweisen. Diese Auszeichnung d’Honneur konnte die Medienseite der Süddeutschen einheimsen, für die Überschrift „Ferres, mach doch mal blau!“ zur ZDF-Umwelt-Schmonzette. Damit ist zur Mutter aller TV-Wale alles gesagt. Schade nur, dass online zu lesen ist: „Ferres rettet die Welt“. Warum, kann mir keiner sagen. Wegen des Dreikönigstags ist die Redaktion Dienstag und Mittwoch nicht besetzt! Willkommen im Onlinezeitalter.

Das Geschehen nicht ganz so gut auf den Punkt bringen kann Konstantin Neven DuMont, der sich in Stefan Niggemeiers Blog um Kopf und das erblich bedingte Ansehen redet. Hier beweist der verlegerische Nachwuchs einmal mehr, dass moderne Medien etwas sind, das beherrscht werden will, und es nicht zum Vorteil gereicht, sich dort einfach mal hineinzuwerfen. Vorausgesetzt, es handelt sich, wie der zwischendurch verwirrte Kollege Niggemeier jetzt schließt, um den „echten“ Konstantin und nicht um einen armen Irren, der unter Künstlernamen groteskes Zeug absondert.

Konstantin Neven DuMont, der als Lulatsch bestens geeignet wäre, Peter Alexander als „Charleys Tante“ zu beerben, beamt uns mit diesem Bild geradewegs in das spießige Flair der Wirtschaftswunderjahre, das nun vom Klambt-Verlag neu belebt wird. Das „Hochglanz“-Magazin, das unter dem Namen Look entwickelt wurde, soll im Februar als Grazia herauskommen. Das klingt nach Kopftuch und Grace Kelly, Capri und Banana-Split, und ich muss einmal mehr bedauern, dass diese Zeitung nicht mit Hörprobe erscheint, die veranschaulicht, was es heißt, wenn die gemeine Sächsin am Kiosk „eine Grazia“ ordert.

Nach der Headline des Jahres, dem Verwirrten des Jahres und dem Rückschritt 2010 kommen wir zur Einladung des Jahres. Auch die habe ich schon. Für den Dezember. Von Peter-Matthias Gaede, dem Chefredakteur von Geo. Irrtümlich hatte ich angenommen, sie gelte 2009 und habe deshalb – die Feiertage ausgenommen – jeden Tag am Baumwall gestanden und gewartet. Jetzt bin ich wieder aufgetaut und freue mich aufs Jahresende.

Und auch die Imagekorrektur 2010 konnte ich schon verbuchen. In der ersten Ausgabe des Stern hat Chefredakteur Thomas Osterkorn sein „Unwort des Jahres“ bekannt gegeben: „sparen“. „Wenn Manager vom Sparen reden“, schreibt Osterkorn, „dann meinen sie meistens: die Kosten für Mensch und Material brutal zu senken, um trotz der Krise die Rendite möglichst hoch zu halten.“ Genau so hatte ich es verstanden, als der Stern letztes Jahr dem Großteil seiner Pauschalisten kündigte oder die Redakteure die Order erhielten, keine Freien mehr zu beschäftigen, um als monetäre Melkkuh auch weiterhin ein paar hundert Millionen an Bertelsmann abführen zu können. Aber getäuscht? Das waren gar keine Sparmaßnahmen? Das waren … ähm … ja … also … Oder ist Osterkorn unter die Aufmucker gegangen? Nein, lässt er auf Nachfrage verlauten, „das ist keine versteckte Kritik an Gruner + Jahr“. Das ist Kritik am Umgang mit dem Wort „sparen“. Aha. Na, wenn das so ist, bleib ich auf meinem Posten. Ich glaub, ich möchte die Definitionsmacht doch nicht den Mächtigen überlassen.

Und damit zurück nach Berlin!

Hinweis: DIE KRIEGSREPORTERIN SILKE BURMESTER berichtet jeden Mittwoch von der MEDIENFRONT Feldpost? Mail an kriegsreporterin@taz.de