Mehr als nur drei O-Töne

OFFENSIVE Das Feature ist das Filetstück des Radiojournalismus. Mit einer neuen Sendereihe und Dachmarke will die ARD es ihren Hörern wieder schmackhaft machen – und sparen

Vorbild ist der vor zwei Jahren gestartete „ARD-Radiotatort“, der viel PR und gute Hörerzahlen brachte

VON DANIEL BOUHS

Das Feature ist für den Hörfunk, was die „Seite 3“ für viele Zeitungen ist: meist das eleganteste Stück ihres vielseitigen Angebots. Für diese Geschichten nehmen sich die Autoren noch Zeit, für sorgfältige Recherche und das anschließende Polieren des Produkts. Und nur wer von der hastigen Informationswelt noch nicht gänzlich vereinnahmt ist, sondern sich ab und an auch in seinen Sessel fallen lässt, bekommt überhaupt die Gelegenheit, diesen Journalismus in Bestform zu genießen.

Heute starten einige gebührenfinanzierten Programme die Reihe „ARD-Radiofeature“. Die Idee dahinter deckt sich mit der des „ARD-Radiotatorts“, der vor gut zwei Jahren startete und in den Sendern als großer Erfolg gilt: Selbst konservative Medienforscher hätten ermittelt, dass jede Ausgabe gut 550.000 Hörer erreichte – eine exakte Quotenermittlung fehlt für das Radio. Das wäre für die Gattung in der Tat eine gewaltige Hörerschaft.

„Nach dem Erfolg, den das Hörspiel eingefahren hat, wollen wir mit dem Feature jetzt auch das zweite große Wort-Genre stärken“, sagt Wolfgang Schmitz, Radiochef des WDR, der die neue Reihe koordiniert. Das gängige Bild sei, dass ein Feature aus drei O-Tönen, einem Sprecher und ein paar Geräuschen bestehe. Es könne aber mehr, sagt Schmitz: „Es ist aufwendig und arbeitet mit Mitteln, die aus Hörspielen bekannt sind“ – etwa mehrere Handlungsstränge oder der gezielte Einsatz von Musik.

Das „ARD-Radiofeature“ ist also vor allem eine eigene Marke, mit der sich die Sender besondere Beachtung für diese Stilform erhoffen. Sieben der neun ARD-Anstalten produzieren dazu je ein Feature, das alle anderen ausstrahlen – unter gemeinsamem Label und bei geteilten Kosten. WDR und SWR sind sogar zweimal dran. Die Hoffnung der ARD-Wellen: Zeitungen würden bei der gestiegenen Reichweite der Beiträge verstärkt berichten. Beim „Radiotatort“ hat das schon mal geklappt.

So läuft von heute an als erstes Stück das Feature „Cybercrime. Tatort Internet“, in dem sich SWR-Reporter Kai Laufen mit Online-Kriminalität beschäftigt. Die Sendezeit von fast einer Stunde gewährt ihm den Raum, um sowohl Täter von kleinen Hackern bis zu weltweit operierenden Mafiagruppen als auch die Ermittlungen der Polizei zu begleiten. Durchaus ein lohnenswertes Stück, das viel ausführlicher daherkommt, als es in Pop- und Infowellen sonst möglich ist.

Laufen hat recherchiert und getextet, in die Produktion aber war mit Walter Filz auch ein Regisseur involviert, was für Features aus Kostengründen immer seltener wird. Filz findet, bei Kriminalitätsthemen sei diese „Urform des Radios“ sogar dem Fernsehen voraus: „Hier kann offen reden, wer nicht gesehen werden will.“ Passend dazu spricht auch nicht der Autor selbst, sondern Tobias Meister, Synchronsprecher von Brad Pitt.

Die Hörer von MDR und RBB gehen indes leer aus, weil die beiden Ost-Sender bei Features bilateral kooperieren und sich dem ARD-Projekt nicht anschließen wollten. Die Alternative: Die Beiträge der neuen Reihe stehen für ein Jahr im Netz.

Wie die Zusammenarbeit von MDR und RBB ist auch das „ARD-Radiofeature“ letztlich vor allem ein großes Sparprogramm. Hörfunkdirektor Schmitz sagt, so bewahre man sich „die Möglichkeit, besonders Aufwendiges zu produzieren, das einzelne Anstalten allein gar nicht mehr stemmen könnten“. Durch die flächendeckende Ausstrahlung wird die Vielfalt im Hörfunkangebot allerdings eingeschränkt.

Das „ARD-Radiofeature“ ist deshalb zwar ein Genuss – aber eben einer mit einem unangenehmen Beigeschmack.

„Cybercrime. Tatort Internet“; heute, 22.05 Uhr, SWR2; 30. Januar, 13.05 Uhr, Bayern2; 31. Januar, 11.05 Uhr, NDR Info und WDR5