Vor dem finalen Schlag

USBEKISTAN Nur noch wenige Journalisten wagen, von dort zu berichten. Viele Kollegen mussten fliehen

Trotz der desaströsen Menschenrechtslage ist Usbekistan ein geschätzter Partner Europas und der USA

Der usbekische Präsident Islam Karimow wünscht dem Land bissigere Journalisten. Auf einer Sitzung des vom Präsidenten handverlesenen Senats beklagte Karimow am 27. Januar die „Zahnlosigkeit“ der Medienvertreter in dem zentralasiatischen Land an der afghanischen Grenze – für die Betroffenen blanker Hohn.

Denn die Aufforderung des Präsidenten konterkariert die usbekische Staatsgewalt mit weiterer Unterdrückung. Seit Anfang des Jahres lud die Staatsanwaltschaft in der Hauptstadt Taschkent sieben Journalisten vor und verhörte diese über ihre Zusammenarbeit mit internationalen Medien. Der Geheimdienst hätte über jeden von ihnen ein ausführliches Dossier gesammelt, teilte der Staatsanwalt den sieben Männern und Frauen drohend mit. Im Januar wurde auch der Radiojournalist Chairullo Chamidow wegen angeblicher Nähe zu islamistischen Gruppierungen verhaftet. Gegen die Filmemacherin Umida Achmedowa wird wegen ihres missliebigen Werks Anklage geführt. Reporter ohne Grenzen kritisiert die „erneute Razzia gegen die freie Presse“ und befürchtet den finalen Schlag gegen die im Land verbliebenen unabhängigen Journalisten.

In Usbekistan gibt es seit Jahren keine im Land legale, unabhängig veröffentlichte Meinung mehr. Medien aus Europa und den USA erhalten nur unter strengsten Auflagen Akkreditierungen. Bürgern ist es untersagt, ohne vorherige Genehmigung mit ausländischen Medien zusammenzuarbeiten. Mehr als zehn Journalisten sitzen in Haft, viele mussten aus dem Land fliehen. Die verbliebenen Pressevertreter, die für aus dem Ausland operierende Webseiten schreiben, schweben in ständiger Gefahr.

Es habe „keine Verbesserung der Pressefreiheit“ gegeben, schrieb der Vertreter für Medienfreiheit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, Miklos Haraszti, im Februar dem usbekischen Außenminister Wladimir Norow.

Usbekistan ist trotz der desaströsen Menschenrechtslage ein geschätzter Partner Europas und der USA. Durch das zentralasiatische Land laufen die Versorgungslinien für den Einsatz in Nordafghanistan, die Bundeswehr unterhält im usbekischen Termes einen Luftwaffenstützpunkt. Das Auswärtige Amt bemühte sich unter dem ehemaligen Minister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bis zu dessen Ablösung erfolgreich, die EU-Sanktionen gegen Usbekistan 2009 endgültig aufzuheben. Die EU hatte die Strafmaßnahmen 2005 nach der blutigen Niederschlagung des Volksaufstandes in Andischan verhängt. Reporter ohne Grenzen nimmt den neuen deutschen Außenminister in die Pflicht und hofft, „dass die Einhaltung der Presse- und Meinungsfreiheit unter Bundesaußenminister Guido Westerwelle zu einem entscheidenden Maßstab in den Beziehungen zu Usbekistan wird“.

Das Auswärtige Amt bewertet die Lage der Menschenrechte in Usbekistan als „besorgniserregend“, eine Sprecherin verspricht, „das Thema zu einem geeigneten Zeitpunkt in der OSZE aufzugreifen“. Den Vorsitz dieser Organisation hat in diesem Jahr allerdings Kasachstan inne, und auch bei dem nördlichen Nachbarn Usbekistans in Zentralasien hat die Pressefreiheit einen schwierigen Stand.MARCUS BENSMANN