Springer, „Manager-Magazin“, Freischreiber und „Bild“
: In der Liga der gefährlichen Journalisten

Hallo, taz-Medienredaktion! Eilmeldung! Eilmeldung! Alles rausschmeißen, ich muss sofort ins Blatt! Achtung, es geht los: Das Hamburger Abendblatt druckt in seiner Ausgabe vom Wochenende folgende Überschrift: „Die DDR ist gescheitert“. Die Information kommt von Gregor Gysi. Also aus erster Quelle. Ich weiß vor Aufregung gar nicht, wohin mit mir! Quasi bis zum Mauerfall hatte das Springer-Blatt das Wort „DDR“ in Anführungszeichen gesetzt, schließlich war Polen noch nicht verloren, und jetzt, 20 Jahre nach der Kapitulation, kommt die Zeitung mit dieser Nachricht um die Ecke. Fragt sich, ob die Abendblatt-Leser bisher dachten, dass die DDR … also, nein, das glaube ich nicht. So blöd sind nicht mal die Springer-Leser. Oder doch? Ach, egal. Mit denen muss man kein Mitleid haben. Anders mit Harald Schmidt. Der Kaiser unter den Entertainern, der Beckenbauer des Fernsehens sozusagen, bekommt schon wieder Nachwuchs. Bevor er 2011 zu Sat.1 wechselt, soll erneut junges Blut seine stetig an Lebenskraft einbüßende Sendung beleben. Max Giermann, der u. a. als Stefan- Raab-Parodie zum Erfolg von „Switch Reloaded“ beitrug, muss mittels Einspielfilmen Schmidts Sendung pimpen. Wohl wegen seines Alters hat man nicht Gregor Gysi unter Vertrag genommen. Schließlich ist der auch ziemlich lustig. Aber alt sein, das kann der Schmidt allein.

Allein bekommt auch die Telekom Großes hin. Nicht nur, dass sie mit ihrer Geheimakte über „gefährliche“ Journalisten der Journalisten-Ego-Frage „Bin ich relevant?“ eine neue Messlatte hinhält, bewundernswert ist auch, wie sie ihren Ruf ruiniert, ganz ohne fremdes Zutun. Damit belegt sie im Ranking der Image-Selbstzerstörer einen der Top-Plätze. Da ich in der „gefährliche Journalisten“-Liga keine Rolle spiele, muss ich an anderer Stelle versuchen, an Bedeutung zu gewinnen. Sie erinnern sich, ich spiele mit dem Gedanken, das Manager-Magazin zu übernehmen. Schließlich hatte es im Online-Test gefragt: „Können Sie Chef?“, und nachdem ich ziemlich gut Fahrrad kann und auch Kürbissuppe, werde ich Chef ja wohl auch noch hinbekommen. Am Sonntag (!) hatte ich die Testauswertung in der Mail. Eine große Konstruktivlobhudelei mit dem Ergebnis, dass ich eine „Chancensucherin“ bin. Einzig dieser Satz gibt mir zu denken: „Setzen Sie sich Ziele, die nicht nur eine schöne Rendite bringen … in einem Wachstumsmarkt, den heute noch keiner auf dem Zettel hat.“ Ich möchte nicht mit Leuten zu tun haben, die von Wachstumsmärkten auf Zetteln sprechen. Ich glaube, ich will doch nicht können. Chef.

Zeitgleich mit dieser zukunftsrelevanten Überlegung hat sich auch eine andere Frage geklärt. Die „Was ziehe ich an?“-Frage bezüglich des Freischreiber-Kongresses nächsten Samstag. Das Motto „Mach’s Dir selbst!“ hatte mir tagelang Rätsel nach der passenden Garderobe aufgegeben, jetzt sind sie gelöst: Ich habe mir einen Overall angeschafft, der das Motto des omnipotenten Allrounders perfekt illustriert. Und wenn es dann doch irgendwann eng wird, mit dem Journalismus, dann kann ich an der Tankstelle anfangen und muss mir nicht mal was Neues zum Anziehen kaufen.

Das Abschlusswort möchte ich heute dem Hamburger Kioskbesitzer Winfried Buck überlassen, der in Folge der Bild-Sarrazin-Ausländer-Hetz-Kampagne in den Bild-Verkaufsboykott getreten ist: „Bezeichnenderweise sagt der Bild-Zeitungs-Käufer ja auch selbst: Eine Blöd-Zeitung bitte, ein Lügenblatt bitte, ein Schmutzblatt bitte. Niemand würde zum Bäcker gehen und sagen: ‚Ich hätte gern ein Scheiß-Brötchen.‘“ Beglückt und im festen Glauben an das Gute zurück nach Berlin!

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