Produzent Benedict über Mittelalterfilme: "Fern, fremd, faszinierend"

Mittelalterfilme sind populär, wie die aktuelle Verfilmung von "Die Säulen der Erde". zeigt. Produzent Benjamin Benedict will noch mehr Bücher verfilmen, denn das Mittelalter sei höchst gegenwärtig.

Finsterstes Mittelalter-Klischee. Bild: tandem communications / dpa

taz: Herr Benedict, Mittelalterfilme sind gerade populär im deutschen Fernsehen: Die Verfilmung des Romans "Die Wanderhure" war sehr erfolgreich, gerade laufen "Die Säulen der Erde" und die ZDF-Serie "Die Deutschen". Warum? Eigentlich ist das Mittelalter aus heutiger Sicht doch nicht sehr attraktiv!

Benjamin Benedict: Natürlich ist uns das Mittelalter fern und fremd. Aber auch faszinierend. Einerseits zeigt sich dort, wie bedrohbar die eigene Existenz ist. Andererseits gibt es eine gewisse Nähe zur Gegenwart: Damals wirkten dämonische Kräfte auf die Menschen ein. Heute sind es wirtschaftliche Kräfte, die wir aber ebenso wenig verstehen. Diese Mischung aus Vertrautheit und Fremde fasziniert die Menschen. Ich denke, dass das Mittelalter uns näher ist als die Antike, die ja vor einiger Zeit mit Filmen wie "Gladiator" und "Troja" eine Hochphase hatte.

Und das Mittelalter ist aus der Perspektive des Geschichtenerzählens sehr attraktiv. Weil es extreme Figuren und Lebensgeschichten gibt. In der "Wanderhure" und der "Pilgerin", der Romanverfilmung, die wir gerade vorbereiten, gibt es weibliche Hauptfiguren, die von ihren Eltern und ihren Ehemännern dominiert werden. Diese Hindernisse zu überwinden, daraus können sich packende Geschichten entfalten.

Sie sagten es schon: Sie planen die Verfilmung eines Mittelalterromans, "Die Pilgerin" von Iny Lorentz. Was hat Sie daran interessiert?

Ich bin auf den Stoff schon 2006 gestoßen. Für mich hat er sich aus zwei Gründen aufgedrängt: zum einen wegen des großen Erfolgs von Hape Kerkelings Buch "Ich bin dann mal weg" über seine Pilgerschaft nach Santiago. Auch in der "Pilgerin" geht es darum. Das Thema Spiritualität, woran wir glauben, interessiert die Menschen noch heute sehr.

Benjamin Benedict arbeitet als freier Produzent bei Teamworx und betreute unter anderem die TV-Filme "Dutschke" und "Marcel Reich-Ranicki: Mein Leben". Aktuell plant er die Verfilmung des Iny-Lorenz-Mittelalterromans "Die Pilgerin".

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Außerdem gibt es im deutschen Fernsehen eine Begeisterung für historische Filme. Die meisten sind extrem fokussiert auf die Jahre 1933 bis 1945 oder auf die DDR. Dabei gibt es historisch noch so viel ungenutztes Potenzial. Bei der "Wanderhure", die auch auf einem Lorentz-Roman basiert, waren viele und auch ich erstaunt, wie erfolgreich das war. Davor gab es lange die Vorstellung, dass das Mittelalter fürs Fernsehen nicht attraktiv sei.

Im "Wanderhure"-Film und in den Romanvorlagen von Iny Lorentz wird Mittelalter light präsentiert - sauberer, weniger Dreck und Gewalt. Das wird bei der Verfilmung der "Pilgerin" sicher ähnlich.

Es geht bei einem Projekt wie der "Pilgerin" nicht darum, Schulfernsehen zu machen oder die Geschichte möglichst genau zu rekonstruieren. Andererseits versuchen wir schon, die Lebensumstände realistisch und glaubwürdig darzustellen. Wenn ich mir die "Wanderhure" ansehe, dann ist das da in Bezug auf Hygiene, auf Dreck und Schmutz im alltäglichen Leben sehr viel direkter umgesetzt als noch in Schwert-und-Degen-Filmen der Fünfzigerjahre.

Natürlich arbeitet man exakter, wenn Zeitzeugen der historischen Ereignisse noch leben. Das heißt aber nicht, dass es einen verantwortungsloseren Umgang mit Mittelalterstoffen gibt.

Aber mit den starken Frauenfiguren und den ganzen Liebesgeschichten in den Filmen wird das Mittelalter wie eine Soap Opera inszeniert, also für unsere heutigen Sehgewohnheiten domestiziert.

Sind Erzählungen nicht immer auch Konstruktionen? Bei "Hamlet" ist es doch auch nicht primäres Kriterium, das damalige Leben am dänischen Hof zu beschreiben. Man muss bei Verfilmungen einen Mittelweg finden - aber der besteht sicher nicht in der reinen Illustration historischer Erkenntnisse. Wenn man sich in die Vergangenheit bewegt, hat man die Gegenwart immer dabei. Historische Stoffe werden häufig angegangen, weil sie etwas über die heutige Zeit aussagen. So wie die "Pilgerin" über Krisen und Spiritualität.

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