Warten auf die Richtigen

AUSBILDUNG Der Bauer Verlag eröffnet eine eigene Lehranstalt. Doch noch fehlen die Schüler – und die Gewerkschaften sind skeptisch

VON WOLFGANG DENZLER

Der Hamburger Heinrich Bauer Verlag sucht nicht nur Leser für seine Zeitschriften, sondern auch Schüler – für die neue verlagseigene Journalistenschule. Die Zahl an Interessenten übertreffe zwar die Erwartungen, sagt Sven Vogt aus der Personalabteilung. Aber Bauer wolle „warten, bis wir genügend aussichtsreiche Bewerber haben“. Fest steht nur: Die Bewerbungsfrist wird erst einmal bis zum 30. April verlängert.

In drei Monaten soll der erste Jahrgang zusammenkommen. 20 Schüler werden zwei Jahre lang für Print- und Onlinemedien ausgebildet. Ein Jahr davon arbeiten sie in einer Stammredaktion. Weitere Praktika führen in andere Bauer-Redaktionen, am Firmensitz in der Hamburger Innenstadt trainieren sie Recherchieren und Schreiben. „Sie lernen hier auch die Bereiche Foto, Presserecht und Marktforschung kennen“, sagt Projektleiter Vogt.

Chefredakteure als Leiter

Die Leitung übernimmt ein Kuratorium aus fünf Bauer-Chefredakteuren, unterrichten würden eigene Fachkräfte und renommierte externe Referenten.

Ein Partner könne die Hamburger Akademie für Publizistik sein, heißt es im Verlag. Denn deren Kompaktkurse buchte Bauer bisher für seine Volontäre. Der Theorieanteil von 16 Wochen werde im Vergleich zu den früheren Volontariaten vervierfacht, so Vogt. Hendrik Zörner vom Deutschen Journalisten Verband (DJV) sieht das anders: „Nur ein Sechstel Theorie ist für eine Journalistenschule wenig“, sagt er. Die Henri-Nannen-Schule, hinter der Gruner+Jahr und die Zeit stehen, hat knapp die Hälfte der Ausbildung für Theorie vorgesehen, bei der Axel-Springer-Akademie ist es ein Viertel. „Ich finde, man kann nicht von einer fundierten Journalistenausbildung sprechen, wenn das Handwerk nur in der Regenbogenpresse, in Klatsch- und Frauenzeitschriften gelernt wird“, sagt Zörner. Aus Arbeitgebersicht sei es nachvollziehbar, wenn für den Eigenbedarf ausgebildet werde. Berufseinsteiger sollten sich aber überlegen, ob sie sich derart einschränken wollen. „Man will doch mit der Ausbildung auch was anfangen können, wenn man die Nase voll von Bauer hat und woanders hin will“, so Zörner.

Bauer verlegt mit der Magdeburger Volksstimme nur eine klassische Tageszeitung und ansonsten vor allem bunte Blättchen wie Bravo, InTouch, Neue Post oder Kinderzeitschriften wie Bussi Bär und Programmhefte wie TV Movie oder tv14. Bewerber sollten deshalb eine Affinität zu diesen Produkten haben. Das solle niemanden abschrecken, der ins Politik- oder Wirtschaftsressort will. „Aber möglicherweise sind sie dann thematisch an einer anderen Journalistenschule besser aufgehoben“, sagt Vogt ganz offen. Stolz ist man auf die überdurchschnittliche „Beihilfe“ von 1.000 Euro im Monat plus Reisespesen bei der hauseigenen Schule. Tatsächlich zahlt die Henri-Nannen-Schule nur knapp 800 Euro im Monat, die Deutsche Journalistenschule in München gar nichts.

Volontärsgehalt halbiert

„Faktisch halbiert man damit aber das Volontärsgehalt, das waren im zweiten Lehrjahr knapp über 2.000 Euro“, sagt Kersten Artus von Ver.di. Die Bauer Media Academy, in der Azubis und Journalistenschüler gebündelt werden sollen, werde eine mitbestimmungs- und tarifvertragsfreie Zone, fürchtet Artus, die auch Bauer-Konzernbetriebsratsvorsitzende ist. „Das Konzept ist bestimmt keine reine Sparmaßnahme. Man will sich mit den renommierten Schulen messen, mit der etwas höheren Vergütung will man gute Leute an sich binden.“

Auf die sei man angewiesen, denn „wir machen durchaus guten Journalismus hier“, so Artus, selbst Redakteurin bei der Fernsehwoche: „Schlimm ist aber, dass kein einziger neuer Ausbildungsredakteur eingestellt wird. Eine ganze Schule soll nur mit den vorhandenen Leuten in der Personalabteilung hochgezogen werden.“ Ver.di und DJV sehen darin den Wegfall echter überbetrieblicher und damit unabhängiger Ausbildung.