Volontariat nach Baukasten-System: Worthülse Lernen

Wann ist eine journalistische Ausbildung eine Ausbildung? Ein Verein bietet ein Volontariat ohne überbetriebliche Seminare und ohne die Arbeit bei professionellen Medien an.

Wer seine Ansichten verbreiten will, soll hierzulande möglichst nicht daran gehindert werden. Bild: dapd

Glaubt man dem Internetauftritt von MedienKonkret, gleicht der Weg in den professionellen Journalismus einem einfachen Baukastensatz: Der Kreuzberger Verein wirbt auf seiner Homepage mit einem 18- bis 42-monatigen Volontariat – dafür qualifizieren kann man sich per VHS-Kurs. In Kooperation mit der Volkshochschule Friedrichshain-Kreuzberg bietet MedienKonkret e. V. für rund 45 Euro ein „Praxisseminar Hörfunk“ an. Wer mindestens einen mittleren Schulabschluss hat, sich dann beim „Schnuppertraining“ in der hauseigenen „Trainingsredaktion“ geschickt anstellt und Interesse zeigt, darf VolontärIn werden. Seit 2009 bietet der Verein Volontariate an. Sechs AbsolventInnen gebe es bisher, sagt Dieter Sirozynski-Haehnel, bei MedienKonkret für die Koordination der Ausbildung zuständig.

Nach dem Einstiegsseminar werde „im Praxisbetrieb trainiert“, sagt Sirozynski-Haehnel: „Im Prinzip wie an einer richtigen Journalistenschule.“ Im Prinzip. Der Praxisbetrieb ist die Berichterstattung in Stadtbezirken – vulgo „Kiez“, überbetriebliche Seminare oder einen festen Ausbildungsplan gibt es nicht: Neben einem kiez-ticker im Internet gibt es zurzeit ein einstündiges Radioangebot auf der Frequenz 88vier, die die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) für nichtkommerzielle Radioanbieter reserviert hat.

Insgesamt zehn Radioprojekte teilen sich die Sendefrequenz. Seit Januar bestreitet MedienKonkret außerdem eine halbstündige Fernsehsendung, die im Hauskanal einer sozialen Einrichtung im Berliner Bezirk Spandau läuft. Hat man knapp 100 Einsätze als ReporterIn oder in der Redaktion geleistet, bekommt man am Ende ein Zertifikat verliehen. Geld kann der gemeinnützige Verein keines zahlen, deshalb ist das Volontariat auch studien- oder berufsbegleitend gedacht.

Auf die MedienKonkret-Abgänger, so suggeriert die Vereins-Homepage, wartet nach der Ausbildung durch „handverlesene Trainer“ nicht nur das örtliche Kiezblatt oder das Bürgerradio. Auch in den professionellen Medien arbeite „ein großer Teil unserer Absolventen“, heißt es da.

Sirozynski-Haehnel bemüht sich, den Eindruck zu relativieren, den die Homepage hinterlässt: „Natürlich ist das alles nicht so einfach“, sagt der ehemalige Lokalredakteur bei der Berliner Morgenpost, einen erfolgreichen Jobeinstieg verspreche man auch überhaupt nicht: „Das gelingt vielleicht 10 Prozent unserer Absolventen“. Wer die professionellen Medien eigentlich seien, für die die Absolventen, ob einige oder viele, nun arbeiteten, erfährt man von Sirozynski-Haehnel allerdings nicht.

Keine Richtlinien

Lässt man den Professionalitätsanspruch mal außen vor, ist das Angebot, das MedienKonkret macht, eigentlich ein gutes: Die Redaktion stellt regelmäßig Praktikumsplätze für Schüler zur Verfügung, ein anderes Projekt will die Medienkompetenz bei Senioren fördern. Und Cornelia Haß, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalistenunion (DJU) in Ver.di, betont, dass man auch in Bürgermedien „selbstverständlich Handwerk lernen kann – wie schreibe ich eine Nachricht, was unterscheidet sie von der Reportage“.

Im Prinzip verdeutlicht der Fall MedienKonkret auch einfach ein grundsätzliches Problem: Verbindliche Ausbildungsrichtlinien für das Volontariat gibt es nicht, lediglich für die tarifgebundenen Tageszeitungen besteht seit 1990 ein rechtsverbindlicher Ausbildungstarifvertrag, der Dauer und Ziele des Volontariats regelt: etwa die Inhalte der praktischen Ausbildung im Betrieb und solche der theoretischen Weiterbildung in überbetrieblichen Seminaren. Dass weder Volontariat noch die Berufsbezeichnungen Journalist oder Redakteur geschützt sind, hat allerdings wiederum einen guten Grund, nämlich Artikel 5 des Grundgesetzes, der die Meinungsfreiheit festschreibt: Wer seine Ansichten öffentlich verbreiten will, darf nicht durch festgeschriebene Berufszugangsvoraussetzungen daran gehindert werden.

Letztlich sei der Begriff Volontariat „doch nur eine Worthülse“, sagt Sirozynski-Haehnel schließlich noch – und im Übrigen müsse es ja jeder selbst wissen: „Unser Angebot kann man nehmen, muss man aber nicht.“

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