Nur noch Freundschaftsdienst

RECHT Die Koalition will den SPD-Entwurf für ein Bundespresseauskunftsgesetz ablehnen. Journalisten müssen nun bei Anfragen also auf die Kulanz der Behörden vertrauen

VON CHRISTIAN RATH

Die Unsicherheit hält an. Der Bundestag wird am späten Donnerstagabend den SPD-Entwurf für ein Bundespresseauskunftsgesetz ablehnen. Damit gibt es weiterhin keine klare gesetzliche Grundlage für Presseanfragen an Bundesbehörden.

Jahrzehntelang sah niemand ein Problem. Wenn Journalisten von Bundesministerien und Bundesämtern etwas wissen wollten, konnten sie sich auf das jeweilige Landespressegesetz am Sitz der Behörde berufen. Für Bundesministerien in Berlin galt das Berliner Pressegesetz, für das Eisenbahnbundesamt in Bonn zum Beispiel das Pressegesetz von Nordrhein-Westfalen.

Doch dann warf das Bundesverwaltungsgericht im Februar alles über den Haufen. Landespressegesetze gelten nicht für Presseanfragen an Bundesbehörden, entschieden die Leipziger Richter. Anlass war die Anfrage eines Bild-Reporters an den Bundesnachrichtendienst (taz vom 21. 2. 2013).

Die Richter wollten die Journalisten aber nicht völlig rechtlos lassen. Sie könnten sich bei Anfragen an Bundesbehörden direkt auf die Pressefreiheit des Grundgesetzes berufen, hieß es bei der Urteilsverkündung. Das war neu und erfreulich. Allerdings schränkte die schriftliche Begründung des Urteils die Freude dann doch wieder ein: Das Grundgesetz garantiere nur einen „Minimalstandard“, hieß es dort.

Die SPD reagierte schnell. Schon eine Woche nach dem Leipziger Urteil legte sie den Entwurf für ein Bundespresseauskunftsgesetz vor. Im Wesentlichen übernahm sie dabei den Wortlaut des Berliner Landespressegesetzes – mit allen Ausnahmen für laufende Verfahren und Geheimhaltungsinteressen des Staates. Die Überlegung der Sozialdemokraten: Wenn die Leipziger Richter ein Bundesgesetz verlangen, dann muss man eben ein Bundesgesetz machen, um die entstandene Lücke schnell wieder zu schließen. Auch die anderen Fraktionen zeigten sich aufgeschlossen.

Die Wende kam bei einer Sachverständigenanhörung im März. Alle Rechtswissenschaftler erklärten das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts für falsch. Der Bund dürfe keine Gesetze zum Presserecht machen, das sei Landeszuständigkeit.

Bittere Konsequenz für den Gesetzentwurf der SPD: Die Sachverständigen, unter anderem Michael Sachs von der Uni Köln, halten den SPD-Entwurf für verfassungswidrig, weil ein Bundesgesetz ja gar nicht möglich sei. Seitdem wollen CDU/CSU und FDP den SPD-Vorschlag nicht mehr unterstützen. Dem Gesetzentwurf fehlt also die Mehrheit, wenn er an diesem Donnerstag spätabends als TOP 63 im Bundestag abgestimmt wird.

Die Journalistenverbände hatten den SPD-Entwurf in der Anhörung verteidigt. „Dieser Schwebezustand ist nicht hinnehmbar“, sagte Benno Pöppelmann, der Justiziar des Deutschen Journalisten-Verbands. Auch Cornelia Haß, die Bundesgeschäftsführerin von dju/Ver.di hielt ein neues Gesetz für „unverzichtbar“.

Das Bundesinnenministerium versprach inzwischen immerhin, die Bundesregierung werde die Konfusion nicht ausnutzen. „An der bisher bestehenden pressefreundlichen Auskunftspraxis der Bundesbehörden wird sich auch nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nichts ändern“, erklärte ein Sprecher. Journalisten müssen also auf die Freundlichkeit der Behörden vertrauen.

Wieder einmal wird also das Bundesverfassungsgericht als Schiedsrichter benötigt. Es wird anhand eines passenden Falls klären müssen, ob für Presseauskünfte bei Bundesbehörden nun ein Bundesgesetz erforderlich ist oder ob die Landespressegesetze gelten. Aber das kann Jahre dauern.