Ein verdienter Sinkflug

SCHWUND Nachdem die gesamte Redaktion entlassen wurde, muss die „Westfälische Rundschau“ jetzt auch noch einen starken Auflagenverlust verkraften

VON PASCAL BEUCKER

ZeitungsleserInnen sind doch nicht so blöd, wie es sich die Funke Mediengruppe gewünscht haben dürfte. Dafür sprechen jedenfalls die neuesten Quartalszahlen der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) . Danach ist die Auflage der Westfälischen Rundschau (WR) dramatisch eingebrochen. Wie das Beispiel Lüdenscheid zeigt, kommt das Modell einer Zeitung, die nur noch aus einem Chefredakteur, einem traditionsreichen Namen und aus anderen Blättern zusammengeklaubten Artikeln besteht, gar nicht gut an.

Hausgemachter Absturz

Die einstmals sozialdemokratisch orientierte WR hat ihr Verbreitungsgebiet im südlichen Westfalen sowie im östlichen Ruhrgebiet. Im Februar schmiss der Essener WAZ-Konzern, der sich inzwischen Funke Mediengruppe nennt, die bisherige Redaktion raus. 120 RedakteurInnen und rund 150 freie Mitarbeiter verloren ihre Arbeit. Seitdem wird der Mantel vom WAZ-Content-Desk in Essen bestückt; die Lokalteile liefert die konservative Konkurrenz: die Funke-eigene Westfalenpost sowie die Ruhr Nachrichten aus dem Medienhaus Lensing, der Hellweger Anzeiger der Graphischen Betriebe F. W. Rubens KG und der Märkische Zeitungsverlag, der zur Verlagsgruppe Ippen gehört.

Was die LeserInnen davon halten, zeigt sich im südlichen Märkischen Kreis: Vom letzten Quartal 2012 bis heute büßte die WR 41,83 Prozent ihrer Auflage ein, die von 11.134 auf nur noch 6.484 Exemplare schrumpfte. Demgegenüber konnten die Lüdenscheider Nachrichten aus dem Märkischen Zeitungsverlag ihre Auflage von 14.288 auf 14.441 leicht steigern.

Die WR ist der einzige Funke-Titel, der in Lüdenscheid erscheint. Deswegen lässt sich hier das Desaster anschaulich machen. Einiges spricht dafür, dass das Blatt in seinem gesamten Verbreitungsgebiet verheerende Einbrüche zu verzeichnen hat. Verifizieren lässt sich das jedoch nicht genau, weil die Funke Mediengruppe nur die Gesamtauflage aller ihrer an einem Ort erscheinenden Zeitungen veröffentlicht. Aber auch der Absturz in Dortmund und Witten, wo die Funke-Gruppe noch die WAZ erscheinen lässt, dürfte maßgeblich der WR geschuldet sein. Die Auflage beider Titel sank von 72.105 Exemplaren im IV. Quartal 2012 auf 62.326 Exemplare, ein Rückgang um 13,56 Prozent.

LeserInnen laufen davon

Mit dem Elend der WR nichts mehr zu tun hat inzwischen die ddvg. Im März verkaufte die Medienholding der SPD ihre Minderheitsanteile für 16 Millionen Euro an die Funke-Gruppe. Wie die JournalistInnengewerkschaften DJV und dju in Ver.di nun bekannt gaben, will die ddvg jetzt 100.000 Euro an die früheren freien Mitarbeiter der WR auszahlen. Vorher hatte sie sich schon zur Zahlung eines sechsstelligen Betrages an die ehemaligen festangestellten RedakteurInnen bereiterklärt, aus „Respekt vor der langen Tradition unserer Beteiligung“, wie ddvg-Geschäftsführer Jens Behrendsen an den Betriebsrat schrieb.