Pünktlich, passend und versteckt

DOKU Der Grenzschutz rund um die „Festung Europa“ (22.15 Uhr, Arte)

Gnade gab es, Gnade in letzter Minute. Denn der Zeitpunkt, zu dem diese Dokumentation gesendet werden sollte, sprach wieder einmal für sich: Gerade erst sind vor der italienischen Insel Lampedusa mindestens rund 200 Bootsflüchtlinge ums Leben gekommen, gerade ist wieder eine Debatte um die harte europäische Grenzpolitik entbrannt. Und wann wollte der Fernsehsender Arte die Dokumentation senden, die zeigen soll, wie das europäische Grenzregime Frontex Europas Außengrenze kühl und klar verteidigt? Um kurz vor Mitternacht mal wieder, Dienstagabend. Schön versenkt. Am Montag gab es dann noch rasch die Gnade: Der Film darf doch schon um 22.15 Uhr anlaufen. Damit es zumindest irgendjemand mitkriegt.

Die Dokumentation von Regisseur Michael Richter lässt Flüchtlinge zu Wort kommen, die ihre Erfahrungen beschreiben und ihre Fassungslosigkeit, als sie an den Grenzen Europas auf ein Zerrbild dessen treffen, was sie sich von diesem Kontinent erhofft und ersehnt hatten.

Die „Festung Europa“ ist eine vorsichtige, manchmal etwas unbeholfene Annäherung an die kaum kontrollierbare Arbeit der Grenzkontrolleure Europas. Verwackelte Aufnahmen von Nachtbildkameras der Grenzpolizisten, Bilder aus dem Inneren der Aufklärungsflugzeuge und von den Patrouillenbooten auf dem Mittelmeer sollen dem Zuschauer einen unmittelbaren Zugang verschaffen.

Richters Weg führt aber auch in die Frontex-Kommandozentrale nach Warschau, in die Welt der Beamtensprache und der operativen Kühle von Grenzbeamten, die hunderte Kilometer entfernt von den Einsatzorten Europas Grenzen überwachen. Dort sitzen Protagonisten, die sich gern mit Erfolgen brüsten, aber die auf die Vorwürfe, die ihnen begegnen, vor allem eine Antwort kennen: dass es doch immer einen anderen gibt, der schuld ist. MARTIN KAUL