Arte-Film über den „Spiegel“: Die Mad Men aus Hamburg

„Die Spiegel-Affäre“ stilisiert wichtige politische Auseinandersetzungen der 60er zu einem Zweikampf zwischen Augstein und Strauß.

Den „Spiegel“ fest in der Hand: Rudolf Augstein (Sebastian Rudolph). Bild: Wiedemann & Berg/Stephan Rabo/BR

Die Szene mit dem Schrank darf im Film „Die Spiegel-Affäre“ natürlich nicht fehlen. Weil sie in der Realität schon filmreif war, eignet sie sich gut für den Einstieg: Als Polizei und BKA am Abend des 26. Oktober 1962 das Gebäude des Spiegels stürmten und mehrere Redakteure verhafteten, kam Leo Brawand, der Leiter des Wirtschaftsressorts, davon. Er versteckte sich einfach in jenem Möbelstück. Der 2009 verstorbene Brawand hat diese Geschichte sehr gern erzählt.

Anlass für die Besetzung der Redaktion und die Verhaftung der Redakteure, für eine „Aktion, für die es in der Geschichte der Bundesrepublik keine Präzedenz und kein Beispiel gibt“, wie der Spiegel später unter dem Titel „Sie kamen in der Nacht“ schrieb, war eine vermeintlich landesverräterische Titelgeschichte über ein Nato-Manöver – ein Planspiel, dessen Ergebnis lautete, dass die Bundeswehr nur „bedingt abwehrbereit“ war. So lautete denn auch der Titel der Story von Conrad Ahlers.

Bemerkenswert ist die Schnelligkeit, mit der sich damals der Protest gegen den Angriff auf die Pressefreiheit formierte. Wenn man das in Roland Suso Richters Film sieht, fühlt man sich an die heutige Mobilisierung via Social Media erinnert. Gabriela Sperl, die „Die Spiegel-Affäre“ produziert hat, sagt, sie wage es zu bezweifeln, dass „heute jemand in einer vergleichbaren Situation auf die Straße gehen würde“. Angesichts einer weit verbreiteten „Ohnmacht“ gegenüber politischen Entscheidungsprozessen, versteht sie den Film deshalb auch als „Aufruf“.

Regisseur Richter hat diese Ereignisse in seinem Film als Duell zwischen dem Magazinherausgeber Rudolf Augstein und dem politischen Hauptverantwortlichen Franz Josef Strauß inszeniert. Es sei „ein Film über zwei Egomanen, die jeder aus ihrem Universum heraus agieren“, sagt Produzentin Sperl. Zu einem der beiden „Egomanen“ hat sie einen persönlichen Bezug: „Strauß war der Buhmann meiner Kindheit. Mein Vater war mit Conrad Ahlers befreundet, und ich habe noch als Kind erlebt, dass Onkel Conny in den Knast kam. Das war etwas ganz Schreckliches.“

„Die Spiegel-Affäre", 20.15 Uhr, Arte.

Bedingt abwehrbereit

Jenseits des Politischen ist „Die Spiegel-Affäre“ ein Film über eine Gang von Redakteuren, die euphorisiert sind von ihrem Job und die allesamt eine Was-kostet-die-Welt-Haltung ausstrahlen. Brawand sagt einmal zu Augstein: „Was wir hier machen, ist Racken Rohl.“ Er ist in der Truppe der größte Sprücheklopper – und das will was heißen. Die Redakteure seien in dem Film „unentwegt zu Bonmots aufgelegt“, hat Franziska Augstein, Rudolfs Tochter, in der Süddeutschen Zeitung moniert. Dabei habe in der Spiegel-Redaktion „Anfang der 60er Jahre ein steifes Komment“ geherrscht. „Kumpelhaftes Benehmen im Büro“ sei „verpönt“ gewesen.

Ob aber beispielsweise Chefredakteur Claus Jacobi 1962 tatsächlich zu Augstein gesagt hat: „Hast du was auf den Ohren? Das ist nicht wasserdicht“, ist nur bedingt relevant. Vermutlich wird das TV-Publikum, dessen Journalistenbild sich aus der Jetztzeit speist, den im Film gepflegten Jargon für stimmiger halten als den „steifen Komment“, der tatsächlich herrschte.

Als Analogie bringen die Macher die US-Serie „Mad Men“ ins Spiel, diese Serie über eine Werbeagentur im New York der 50er und 60er Jahre. „Gab es in Deutschland ,Mad Men‘? Natürlich gab es sie, man muss sie nur imaginieren“, meint Johannes Betz, der Drehbuchautor. „Die Spiegel-Affäre“ ist zwar ein teilweise unterhaltsamer, aber kein anregender Film – und von „Mad Men“ so weit entfernt wie der HSV von der Champions League.

Zumindest unter einem Gesichtspunkt ist der Vergleich aber reizvoll: Eine Peggy Olson gibt es in „Die Spiegel-Affäre“ nicht, auch keine Joan Harris. Die Alphafrauen unter den „Mad Men“ in der Werbeagentur. Bei der Drehbuchentwicklung sei vonseiten der beteiligten Sender wiederholt die Frage aufgekommen, ob man nicht eine weibliche Hauptfigur oder stärkere Frauenfiguren einbauen könne, sagt Sperl. Das wäre aber weit hergeholt gewesen: Zu Zeiten der „Spiegel-Affäre“ arbeiteten in der Spiegel-Redaktion keine Ressortleiterinnen oder Chefreporterinnen, sondern Tippsen.

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