DIE KRIEGSREPORTERINVON MESCHUGGE KOLLEGEN AUF EINER JOURNALISTENREISE IM HEILIGEN LAND, DEM TOM BROKER ISRAELS UND EINEM EIGENARTIGEN IMAGEFILM AUS DEM „SPIEGEL“-HAUS
: „Ich bin für die taz hier“ klingt manchmal sehr traurig

Schalömchen taz-Medienredaktion! Wie angekündigt, melde ich mich heute aus Israel, einem kleinen Land mit viel Knall. Nun ist es ja nicht so, dass nur hier Dinge geschehen, von denen mein Opa gesagt hätte: „Sachen gibt’s, die gibt’s gar nicht“. Nein, völlig irre Dinge passieren auch in Deutschland, weswegen ich mich entschieden habe, die Onlineausgabe dieser hübschen Kolumne als extended version anzulegen. Das bedeutet, für die Holzklasse wird’s nahezu monoländarisch, während es in der Stromabteilung mit viel G & J-Gaga weitergeht.

Also, Israel. Ich hatte angenommen, dass ich mich zu diesem Zeitpunkt, am vierten Tag, unterwegs mit der Bundeszentrale für politische Bildung, gar nicht retten könnte vor Infos. Zumal wir so schöne Termine hatten, wie die Korrespondenten von ARD, ZDF, der Zeit und der Welt zu treffen. Aber, was soll man sagen? Außer mir hatte keiner Lust, was über das Korrespondentendasein zu erfahren. Darüber, was man so als staatstreuer ZDF-Mann sagen darf und was nicht. Und ob es nicht etwas eigenartig ist, wenn man sich als Journalist des Weltenretters Axel Springer verpflichtet, für „die Unterstützung der Lebensrechte des israelischen Volkes“ einzutreten. Eine Leitlinie, gegen die „kein Journalist des Hauses ungestraft verstoßen darf“ – ungeachtet dessen, dass auch ich den Anspruch eines jeden Volkes auf ein Lebensrecht nicht infrage stellen möchte.

Nee, darauf hatte irgendwie keiner Bock. Stattdessen haben vier Korrespondenten und ein Psychiater in jeweils gefühlten 87 Minuten ihre Sicht der Koalitionsbildung in Israel dargelegt. Und sich dann gefühlte 59 Minuten lang gegenseitig ergänzt, bevor 27 Minuten lang einander widersprochen wurde.

Ich glaube, mich finden nun alle doof. Was an sich nicht schlimm ist, aber etwas unglücklich, wenn man keinen Helm dabei hat, den man über den Kopf ziehen kann, um versteckt unter der Krempe Mandalas zu malen. Heute war es etwas lustiger. Wir trafen in Kleingruppen interessante Denker und ich war da, wo Haim Yavin war, der Joachim Friedrichs Israels. Dass wir hier die Top-of-the-Pops-Auswahl am Tisch hatten, war in unserer meschuggen Gruppe keinem klar, bis die Kellnerin eine nicht bestellte Flasche Sekt brachte, „Weil wir Haim so lieben!“, und der Gast vom Nebentisch im Hinausgehen das Perle-vor-die-Säue-Happening mit den Worten bedachte: „Ihr habt hier den Tom Broker Israels sitzen!“ Es war endlich mal etwas spaßig, obwohl der sympathische Kollege von der „Sendung mit der Maus“ so blöd war, die Gesprächsrunde mit der Frage zu eröffnen, wie Yavin den Ausgang der Koalitionsbildung einschätze. Was dieser allerdings in einer Zeit unter acht Minuten beantworten konnte.

Ungeachtet des Umstands, dass Yavin drei Sympathiepunkte bei mir eingebüßt hat, weil er den zum Niederknien großartigen Friedensaktivisten Abi Nathan für einen Schwätzer hält, überlege ich, mir etwas bei ihm abzuschauen. Er hat zum Beispiel oft behauptet: „Ich komme von der BBC.“

Diese Taktik könnte ich übernehmen. Auch mit Dir, taz-Medienredaktion, ist es ja mitunter etwas peinlich. „Ich bin für die taz hier“ klingt manchmal schlicht sehr traurig. Vielleicht werde ich demnächst, wenn ich auf einem Termin bin, wo das Essen viel Geld gekostet hat, sagen: „Ich bin von der FAZ“. Wobei ich nicht weiß, ob ich die mitleidigen Blicke gut aushalte. Dann lieber im Namen eines Verlags erscheinen, der in Zeiten, in denen andere womöglich ihre Garage an DHL vermieten, ein neues Verlagshaus baut.

Gehen wir nun raus aus Israel und gleich mit einem großen „Hallooo!“ Zum Spiegel-Verlag, der aus noch unbekannten Gründen einen Film produzieren ließ, der wohl ein Imagefilm sein soll und ein etwas eigenartiges Licht auf die Akteure wirft.

So behauptet die Moderatorin Maria Gresz, das Zusammenspiel aus Print, Online und Bewegtbild, „das macht sonst keiner“, während der Chefredakteur Klaus Brinkbäumer wie in einer Kaffeereklame – nur etwas trauriger – am Fenster steht und in der Ferne das Aroma sucht. Ausgerechnet der Chef der Onlineabteilung findet in diesem Bilitis-Machwerk Zeit, durch die Welt zu stromern, herumzusitzen und in Büchern mit arabischer Schrift zu lesen. Auch sonst scheint das Leben der Verantwortlichen des Blattes, von Spiegel TV und Spiegel Online von viel Muße bestimmt. Und damit zurück nach Berlin!

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