Er hatte sie alle: Promis, Politiker und Geistliche

GLANZ Der Gesellschaftsreporter des Magazins „Bunte“, Paul Sahner, ist überraschend gestorben

Seine Technik: übergroße Nähe zum Berichtsgegenstand, Küchenpsychologie und Ranschmeiße

Er war ein Stück gutes altes Westdeutschland, dieser Paul Sahner. So kregel, so selbstgewiss, so Achtziger. Kaum zu glauben, dass so einer mit nur siebzig Jahren plötzlich stirbt – Sahner, der Mann mit der gesunden Bräune und dem weißen Haar, ist am Sonntag einem Herzinfarkt erlegen. Seine langjährige Kollegin, Bunte-Chefredakteurin Patricia Riekel, teilte mit, ihre Trauer sei „unbeschreiblich“.

Für Sahner, der eines der besten Pferde in Riekels Bunte-Stall war, gab es kein „unbeschreiblich“. Der Gesellschaftsreporter verfügte über eine journalistische Technik, die jungen KollegInnen von ihren LehrerInnen heute beizeiten ausgetrieben wird: übergroße Nähe zum Berichtsgegenstand, kombiniert mit Küchenpsychologie und Tendenz zur Ranschmeiße. Wenn es der Story diente, kolportierte er auch Privates. Für die Promis kein Grund, auf Distanz zu gehen. Ein Sahner-Interview galt als Ausweis von übergroßer Wichtigkeit in jenen Kreisen, in denen Journalismus einzig der Steigerung des eigenen Marktwerts zu dienen hatte.

Sahner hatte sie alle. Michael Jackson, den Papst, Iris Berben, Nelson Mandela. Aber eben auch einen Mann namens Rudolf Scharping, den heute niemand mehr kennen würde, hätte Paul Sahner ihn nicht 2002 dazu überredet, für die Bunte mit seiner neuen Freundin auf Mallorca im Pool zu planschen. Blöd: Scharping war zu dieser Zeit Bundesverteidigungsminister. Während er mit Sahner über die Liebe plauschte, standen seine Soldaten vor einem Einsatz in Mazedonien. Der SPD-Mann musste zurücktreten. So was konnte People-Journalismus damals noch bewirken.

Dass solche Zeiten vorbei sind, hatte Paul Sahner wohl verstanden. Erst im letzten Jahr hatte er sich aus der Bunte-Chefredaktion in einen „Teilruhestand“ verabschiedet. Im digitalen Zeitalter hatten seine Promis längst eigene Wege gefunden, an ihrem Image zu schrauben. Einem Boris Becker, der Fotos seiner Kinder auf Instagram veröffentlicht, muss kein Paparazzo mehr auflauern. Der muss sich nicht mehr beim „Gottvater der Intimbeichte“ (taz) erklären, um sein Publikum milde zu stimmen. Er übernimmt es selbst.

Auch deshalb wollte Sahner, der alte Kämpe, sich künftig mehr um den eigenen Glanz kümmern. „Ich krieg sie alle!“ lautete der Titel seiner für diesen Herbst angekündigten Autobiografie. Mit Ausrufezeichen. ANJA MAIER