Formulieren, fabulieren, fantasieren

Lyrik, Kurzprosa und Dialoge an leichtfüßigem Jazz: Die vier Berliner von der Gruppe „Fön“ lassen Literatur und Musik zueinanderfinden. Am Dienstag stellen sie im Machtclub ihr aktuelles Album „Ein bisschen plötzlich“ vor

„Bei Fön finden Literatur und Musik zueinander und mögen sich dann auch richtig“, erfährt man von Michael Ebmeyer, Bruno Franceschini, Tilman Rammstedt und Florian Werner. Wenn Klavier, Gitarre, Trompete, das selbst gebaute Schlagzeug und die gesprochene oder gesungene Sprache irgendwo zwischen Pop, Chansons und Jazz zusammengebracht werden, dann erklingt in ihrem Fall nicht „Musik mit Texten“. Stattdessen wählt man mit Bedacht die Präposition „an“: „Texte an Musik“. Das klingt zum einen eher nach „Seesaibling an Mangoldsauce“ als nach „Reis mit Gemüse“ und soll dabei sicher unterschwellig appetitanregend wirken. Zum Zweiten ist darin ein deutlicher Verweis auf Distinktionswille und sprachliche Kompetenzen der Beteiligten zu erkennen. Denn für die vier Herren aus Berlin ist der Umgang mit Sprache weit mehr als ein geistreicher Zeitvertreib: Er sichert die Butter auf dem Brot. Schreiber sind sie allesamt, Schriftsteller gar drei von ihnen und einer ausdrücklich „Songschreiber“.

Michael Ebmeyer schreibt für die NEON, ist freier Übersetzer und Textredakteur und hat bis dato zwei Romane („Plüsch“ und „Achter Achter“) und einen Erzählband („Henry Silber geht zu Ende“) bei Kiepenheuer & Witsch veröffentlicht. Im Frühjahr dieses Jahres ist zudem seine „Gebrauchsanweisung für Katalonien“ bei Piper erschienen. Auch Tilman Rammstedt schreibt für Zeitungen, arbeitet für den Hörfunk und hat bei DuMont den Erzählband „Erledigungen vor der Feier“ und den Roman „Wir bleiben in der Nähe“ veröffentlicht. Dafür hat er ordentlich Preise eingeheimst: den Rheinischen Kulturförderpreis und den Kasseler Literaturförderpreis für grotesken Humor unter anderem. Florian Werner hängt da in Bezug auf Prosa-Veröffentlichungen noch ein bisschen hinterher. Auch er arbeitet als Hörfunk-Autor und Übersetzer, hat aber bisher erst einen Erzählband veröffentlicht: „Wir sprechen uns noch.“ Dafür ist er vor zwei Jahren zu Doktor Werner geworden. Seine Dissertation über Hip-Hop und Apokalypse ist unter dem Titel „Rapocalypse“ jüngst im Transcript-Verlag erschienen. Der Vierte im Bunde, Bruno Franceschini, indes macht eine kleine Ausnahme. Er steht beruflich mit beiden Beinen fest auf dem Boden des Musikalischen, komponiert und singt allein oder mit Band deutsch-italienische Pop-Chansons. Ein Album beschert ihm bisher regelmäßige Einnahmen.

„Fön“ selbst haben in diesem Jahr ihre zweite Platte veröffentlicht. Drei Jahre Zeit genommen haben sie sich dafür. Schließlich konstatierte der Erstling 2004 schon im Titel: „Wir haben Zeit“. Dafür hieß es dann im Oktober „Ein bisschen plötzlich“ für insgesamt dreizehn leichtfüßig-amüsante Songs. In welche Richtung die Reise dabei geht, macht schon der erste deutlich. „Das A und O“ erzählt die Geschichte von Jah und Satan. Als einzige Vokale kommen haufenweise „A“s, ein als „A“ und ein gar nicht gesprochenes „E“ und ein einziges „O“ vor: „Jah schasst Adam. Satan lacht. Adam sagt: O!“

Ähnlichen Spaß am Formalen hat Lied Nummer 4: „Solche und Solche“: „Es gibt zwei Sorten Elefanten: die frivolen und die genannten. Es gibt zwei Sorten Schimpansen: die mit Troddeln und die mit Fransen. Es gibt zwei Sorten von Molchen: die solche und die solchen.“ Dabei kann „Fön“ auch Gegenwartskritisches wie in „Sonst noch Wünsche“: „Überall Exzellenz und überall Sicherheitsstufe. Überall Paare wie Daimler und Benz und immer wieder Da-Capo-Rufe. Überall weniger Staat und überall Glutamat. Allezeit gute Fahrt und für die Dame nur ein Schälchen Magerquark. Und überall Stillblödigkeit, überall Impfmüdigkeit. Und alles in trockenen Tüchern und in Peter-Hahne-Büchern.“

Zu hören sind die vier spitzzüngigen Literaten-Musiker am Dienstagabend beim 66. Machtclub im Malersaal des Schauspielhauses. Vor allem Tilman Rammstedt lernt man dann näher kennen. Im Anschluss an das Konzert liest er aus seinem in Arbeit befindlichen Roman über ein schwieriges Thema: Großväter. Und dann sind auch noch Doktorspiele versprochen: Ein Gast aus dem Publikum gegen die Macht. ROBERT MATTHIES

Di, 8. 1., 20.30 Uhr, Deutsches Schauspielhaus / Malersaal, Kirchenallee 39