hamburger szene
: Blaue Stunde

Warum nochmal hatte es ausgerechnet an diesem Samstag sein müssen, das Aufbrechen, um per Regionalzug das Schweriner Seengebiet zu bereisen? Am Morgen war es ja noch gegangen: Da hatten Hamburger und Bundespolizei die HSV- und Hansa-Rostock-Anhänger noch hübsch voneinander getrennt in die Züge bugsiert. Und wer keiner der beiden Fraktionen anzugehören schien – also weder irgendein blau-weißes Kleidungsstück trug noch eine bis drei Familienpackung Pils geschultert hatte –, der bekam von den Uniformierten freundliche Ratschläge, in welchem Waggon am besten Reisen sei.

Sicher: Ein wenig sorgen konnte man sich um die versprengte Handvoll St. Pauli-Fans, die, an T-Shirts und Aufnähern gut auszumachen, hineingeraten war in das blaue Gemenge. Blieb dann aber alles ruhig. Aufregend wurde es erst am Abend, im letzten Zug, der direkt von Rostock aus Hamburg anfuhr. Hier hatte sich angesammelt, was vom Spieltag übrig geblieben war; nicht mal die Anhänger der nun arg abstiegsbedrohten Hansa indes schienen dabei wirklich schlecht gelaunt.

Unentspannt waren einzig die mitreisenden Herren – überwiegend – und Damen – vereinzelt – der Bundespolizei, die stehend in den Eingängen mitzufahren hatten. Wenn sie die letzte Stunde bis Hamburg hindurch nicht gerade Rauchverbote durchsetzten oder sonstwie durch maximal martialisches Auftreten die weit überlegene Zahl an potenziellen Störenfrieden in Schach hielten, unterhielten sich die drei ostdeutschen Uniformierten in Waggon 2, vorletzter Einstieg, über neue Mobiltelefonmodelle. Oder Automobile zu astronomischen Preisen. Vielleicht sogar über Fußball.

ALEXANDER DIEHL