Hamburg wird Atlantis

Körpersprachlichen Missverständnissen, apokalyptischen Spuren und gern jugendlichen Unternehmens-Ideen widmet sich die nächste Spielzeit auf Kampnagel. Das Programm ab 25. September stellte jetzt die Intendantin vor

Kunst ist ein Politikum – auch, wenn Senatoren das nicht gern hören. Kampnagel zum Beispiel, seit langem Areal für Tanz- und Performance-Experimente, sucht sich in der nächsten Spielzeit noch politischer und interventionistischer zu präsentieren als bisher.

Auf gesellschaftspolitische Ehrlichkeit, erkundbar auch durch Tanz, zielt etwa die deutsch-israelische Performance „Basically I don’t but actually I do“: Missverständnisse zwischen jungen Israelis und Deutschen, die den Holocaust längst verarbeitet glaubten, fokussiert das Stück. „Choreographische Versprecher“ en masse treten nämlich bei der Zusammenarbeit zutage, die deutlich zeigen, dass das Täter-Opfer-Muster auch körpersprachlich noch keineswegs gebannt ist.

Konsequent war es in diesem Zusammenhang, auch die Tel Aviver Performance „Also Thus“ einzuladen, die die Zerrissenheit der israelischen Gesellschaft entblößt. Als Mixtur aus Militärmärschen, choreographierten Unfällen und Volkstänzen präsentiert sich das Stück. Ein schonungsloser Blick auf ein Thema, das in In- und Ausland immer noch mit selektiver Ehrlichkeit diskutiert wird.

Auch Jugend wird – selbst in Hamburg, der Modellstadt für Kinder- und Jugendkultur – oft nur halb ernst genommen oder aus Prestigegründen gepriesen. Die Idee, Kinder zu Unternehmern zu machen, lässt sich deshalb wohl absehbar nur in künstlerischen Refugien propagieren. Judith Wilske, Ökonomin und Theaterregisseurin, wird im Herbst Schulen und Spielplätze anfahren und drei- bis 14-Jährige nach unternehmerischen Ideen fragen. Ob dabei wirklich Unverbrauchtes zutage tritt? Und von welcher Altersstufe an herrscht wohl medial erzeugter Mainstream?

Spürsinn und Humor atmet auch das „Hamburg Requiem“, eine Koproduktion des Komponisten Jan Dvořák mit dem Regisseur Thomas Fiedler. Verräterische, zur Apokalypse führende Spuren werden sie in ihrer multimedialen Konzertshow zeigen und Hamburg als – vielleicht noch rettendes – Atlantis der Zukunft präsentieren.

Ob der „Club Hambule“ so politisch ist, wie es „Hamburger Schule“ und die Wagenburg „Bambule“ waren, steht dahin. Tatsache ist, dass sich Kampnagel und Kunstverein hier in einer übergreifenden Form üben, die zu Ausstellungen und Performances in beiden Institutionen führen wird. PETRA SCHELLEN

www.kampnagel.de