Altlasten: Giftberg mit Aussicht

Aus der ehemaligen Deponie Georgswerder soll ein attraktives Naherholungsgebiet werden. Obwohl noch immer giftiges Sickerwasser austritt.

Toller Ausblick: Bisher nur für Fachleute, doch das soll sich bis 2013 ändern. Bild: IBA

Der Berg der Zukunft ruft. Bis zum Präsentationsjahr der Internationalen Bauausstellung (IBA) 2013 soll aus der gesicherten Giftmülldeponie Georgswerder eine öffentliche Informationslandschaft mit Spazierwegen werden. Der Umweltverband BUND hält das für gefährlich. Denn in dem Müllberg schlummert nach wie vor Gift. In diesem Sommer müssen zwei neue Schutzvorrichtungen für die Grundwasserüberwachung gebaut werden, da Sickerwasser an einer noch nicht geschützten Stelle ausgetreten ist.

Die ursprüngliche Idee der IBA war, aus der 40 Meter hohen Deponie einen "Energieberg" zu gestalten. Geplant ist der Bau einer neuen Windkraftanlage; am Südhang befindet sich seit Ende vergangenen Jahres eine 5.000 Quadratmeter große Photovoltaikanalage. Das gereinigte Sickerwasser aus dem Berg soll mithilfe einer Wärmepumpe die Gebäude am Rand der Deponie heizen.

Doch das reicht der IBA nicht. "Den wunderschönen Ausblick von der Kuppe aus darf man der Stadtbevölkerung nicht vorenthalten", sagt die Projektkoordinatorin Simone Weisleder. Bis heute ist eine öffentliche Begehung der Deponie verboten. Nur mit einem Sicherheitsarbeiter der Umweltbehörde (BSU) darf Fachpublikum den Müllgipfel besteigen.

Ende der 70er Jahre wurde schon einmal ein Landschaftsplan für Georgswerder entworfen, um die rund sieben Millionen Kubikmeter Hausmüll und Sonderabfälle zu verschönern. Damals plante die Stadt ein Freizeitzentrum mit Park und Rodelbahn. Ein Jahr vor der Umsetzung vereitelte der Fund von Dioxin im Sickeröl am Deponierand den Plan. Anwohner klagten über Hautausschläge.

Zwischen 1948 und 1966 wurde auf der Deponie ausschließlich Hausmüll gelagert.

Seit 1967 war Georgswerder Hauptablagerungsplatz für Sonderabfälle.

1983 wurde im Sickerwasser das Seveso-Gift Dioxin entdeckt.

Von 1986 bis 1995 wurden Maßnahmen zur Abdichtung der Deponie durchgeführt.

Zwischen 1992 und 1996 wurden Windenergieanlagen errichtet.

550.000 bis 600.000 Euro jährlich kosten das Überwachungssystem und die Pflege.

"Wir waren erst einmal völlig hilflos", erinnert sich der damalige Senator für Wasserwirtschaft, Energie und Stadtentsorgung, Jörg Kuhbier (SPD). Die Deponie abzutragen, sei unmöglich gewesen. Die Behandlungskapazitäten für Abfall waren knapp und die genaue Zusammensetzung des Bergs unbekannt. Rund 95 Millionen Euro kostete es, die Deponie zu sichern und einzukapseln.

Der Giftmüllfund hatte weit reichende Folgen für die politische Landschaft in Hamburg und auch bundesweit. Bei der Bürgerschaftswahl im Juni 1982 überwand die Grün-Alternative-Liste (GAL) die Fünf-Prozent-Hürde. Zum ersten Mal zog die Ökopartei ins Parlament ein. Das teure Aufarbeiten von Altlasten wurde eine der ersten Aufgaben der drei Jahre zuvor gegründeten Umweltbehörde.

Bis heute ist sie für die Kontrolle der Deponie zuständig. Wenigstens hundert Jahre noch wird die Überwachung dauern. Denn auf diese Lebensdauer ist das Sicherungsbauwerk ausgelegt. Die eigentliche Sanierung der Deponie sei aber längst abgeschlossen, sagt der Sprecher der BSU, Volker Dumann.

Anders sieht das BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch: "Eine Sanierung wurde nie durchgeführt, denn die Ursache der Belastung ist ja nach wie vor noch da." Und solange noch an der Deponie herumgebastelt werden müsse, um zu verhindern, dass Gift austrete, sei auch eine öffentliche Nutzung fragwürdig. Zudem seien an dem Müllberg erhöhte Konzentrationen von Arsen und anderen Schwermetallen im Staub gefunden worden. Bevor der Berg den Hamburgern zum Flanieren und Sonnenbaden angeboten wird, müsse dieser Belastungspfad nochmals geprüft werden, gibt Braasch zu bedenken.

Im Herbst dieses Jahres wird die IBA den Bauantrag und ein Sicherheitskonzept bei der BSU einreichen. Sieben Millionen Euro soll der "Energieberg" kosten. Und davon wird die IBA eine erkleckliche Summe in zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen investieren müssen. Schächte müssen abgedeckt und kenntlich gemacht werden für die Besucher. Vielleicht wird die IBA auch Tafeln mit Sicherheitshinweisen aufstellen.

In voraussichtlich zwei Jahren soll eine Promenade den Gipfel von Georgswerder umrunden. Am Nordhang soll ein Informationszentrum Auskunft über die Geschichte der Deponie geben. Und auch der Aussichtspunkt mit dem Blick über die Stadtsilhouette soll dann endlich für die Öffentlichkeit zugänglich sein.

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