HAMBURGER SZENE VON KATHARINA GIPP
: Wo die Regenschirme fliegen

Einen Burger vor mir und einen Maracuja-Milchshake zu meiner Rechten sitze ich auf einem Barhocker und betrachte, was sich draußen, an der Ecke von Davidstraße und Reeperbahn so alles zuträgt. Es ist ein normaler Mittwochabend, eigentlich, aber vielen derjenigen, die da vorbeikommen, scheint schon das gute Wetter ein Anlass zu sein, sich besonders chic herauszuputzen.

Da reißt mich ein dezentes „Klonk!“ aus meinen Gedanken: Ein Regenschirm ist gegen die Scheibe geflogen, landet auf der Fensterbank, als gehöre er dort hin. Ehe ich mich so recht wundern kann, macht es noch viermal „Klonk!“, und vier weitere Schirme prallen von dem Schaufenster ab.

Diesmal aber bin ich vorgewarnt und kann ausmachen, woher sie kommen: Da stehen fünf leicht bekleidete junge Frauen, die in ihrer Buntheit die anderen Passanten um ein weites überstrahlen: pinkfarbene Teddyfell-Jäckchen, gürtelähnliche Röcke und kunstvoll durchlöcherte Strumpfhosen: Prostituierte im Business-Outfit.

Nur durch die Glasscheibe des Bulettenbraters sind sie und ich voneinander getrennt. Die Damen überprüfen ihr Makeup, eine verteilt Kondome, und dann ziehen sie auch schon weiter. Die Regenschirme bleiben liegen, vor mir, auf dem Sims. Bis zum nächsten Einsatz – und bis zum nächsten Regenschauer dauert’s in Hamburg ja nie lange – liegen sie da auch ganz sicher: Die Davidwache ist gleich gegenüber.