Privatisierung: Kampf ums Tafelsilber

Eine Volksinitiative kämpft gegen die Privatisierung öffentlicher Unternehmen ohne Zustimmung der Bürger. Ziel ist ein Volksentscheid gleichzeitig zu den Bürgerschaftswahlen 2012.

Sollen aus Sicht der Initiative nur mit Zustimmung der Bürger verkauft werden: öffentliche Unternehmen wie die Stadtreinigung. Bild: dpa

Die Volksinitiative "Die Stadt gehört uns - keine Privatisierung gegen den Bürgerwillen" hat am gestrigen Donnerstag ihre erste Hürde genommen. Sie übergab der Senatskanzlei im Rathaus 13.836 Unterschriften - 10.000 wären nötig gewesen. Die von der Gewerkschaft Ver.di gestartete Initiative setzt sich dafür ein, dass öffentliche Unternehmen nur mit Zustimmung der Bürger verkauft werden dürfen. Gemeint sind dabei Unternehmen wie die Saga/GWG, die Hochbahn oder die Stadtreinigung, die dem Gemeinwohl dienen. "Sie gehören den Bürgerinnen und Bürgern Hamburgs und dienen nicht dem Gewinnstreben privater Eigentümer", sagte der Ver.di-Landesvorsitzende Wolfgang Rose.

Nach der Unterschriftenprüfung durch den Senat folgt als zweite Stufe das Volksbegehren im nächsten Frühjahr. Der letzte Schritt wäre der Volksentscheid, den die Initiatoren zeitgleich zur nächsten Bürgerschaftswahl im Frühjahr 2012 durchführen wollen. Soll der Entscheid angenommen werden, müssten am Tag der Wahl knapp 250.000 Bürger dafür stimmen.

Ver.di -Chef Rose ist sich des Erfolges sicher: In Umfragen hätten sich 80 Prozent der Hamburger gegen Privatisierungen ausgesprochen. Die Haushaltskrise dürfe kein Argument für den Ausverkauf des Tafelsilbers sein, sagt Rose. In den letzten Jahren war genau das der Fall: Öffentliches Eigentum wie beispielsweise die Hamburgischen Elektricitätswerke (HEW), 49 Prozent des Flughafens oder der Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) wurden vom Senat verkauft.

77 Prozent der Bürger verlangten 2004, den Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) nicht zu veräußern. Der Senat ignorierte den Volksentscheid und verkaufte drei Viertel des Unternehmens.

Vor das Landesverfassungsgericht zogen daraufhin die Initiatoren - und verloren: Für den Entscheid hätte ein eigener Gesetzentwurf formuliert werden müssen, so das Gericht. Die zur Abstimmung gestellte Formulierung sei nicht bindend gewesen.

Seit einer Verfassungsänderung Anfang 2009 sind Volksentscheide verbindlich.

Reaktionen aus den politischen Reihen kamen noch nicht, was der parlamentarischen Sommerpause geschuldet sein mag. Lediglich der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Robert Heinemann äußerte sich zu der Initiative: er habe "starke Bedenken". Nach einer juristischen Prüfung stelle sich für ihn auch die Frage, ob solch ein Vetorecht der Bürger politisch sinnvoll sei. "Die Politik muss am Markt flexibel agieren können", sagte er. Wenn man immer erst die Bürger fragen müsse, wäre kurzfristiges Handeln seitens der Politik nicht mehr möglich. "Wer weiß denn schon, vor welchen Herausforderungen Hamburg in 40 Jahren stehen wird?" Er befürchtet, dass beispielsweise Reprivatisierungen von Unternehmen deutlich erschwert würden.

Diese Sorge teilt Rose nicht. "Es spricht nichts dagegen, ein verstaatlichtes Unternehmen hinterher wieder zu privatisieren", sagt er. "Nur eben nicht gegen den Willen den Volkes."

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