„Da steckt ein Mensch hinter“

Die Frappant-Künstler sprechen mit Zeitzeugen

■ ist Künstlerin mit dem Thema „Schutzräume im Alltag“. Sie gehört zum Künstlerverein Frappant.Foto: Karin Weissenbacher

taz: Frau Wingen, seit März haben 140 Künstler ihre Ateliers in der Viktoriakaserne. Was verbinden Sie mit diesem Ort?

Gabriele Wingen: Wenn ich vor dem Gebäude stehe, fühle ich mich etwas beengt. Es ist komisch zu wissen, dass Weimarer Schutzpolizei, Gestapo und Wehrmacht dort waren.

und nach dem zweiten Weltkrieg Polizisten dort ausgebildet wurden.

Ja, genau. Für die Recherche habe ich mit einer heute 95-jährigen ehemaligen Polizistin gesprochen, die 1945 ihre Ausbildung dort gemacht hat. Das „System Polizei“ bekommt so ein Gesicht. Es ist anders, als ich dachte.

Was genau ist anders?

Die Frau erzählte, dass es in der Kaserne warm war und dass sie nie vorher ein Brot mit so dick Butter drauf gegessen habe. Da habe ich gemerkt: Da steckt ein Mensch hinter! Ich sehe die Polizei jetzt differenzierter.

Sie haben die Gruppe Vicci gegründet, mit welchem Ziel?

Es geht uns darum, die Vergangenheit genauer zu betrachten. Wir wollen das Gewesene ins Hier und Jetzt einzubeziehen.

Hat die Architektur dafür eine Bedeutung?

Sie entspricht dem Geist des Preußentums. 1878 bis 1883 gebaut, bezahlt mit den Kriegsentschädigungen Frankreichs, demonstriert das große Gebäude vor allem Macht. Auch wir werden jetzt mit politischen Machtstrukturen in der Stadt konfrontiert. KAH

Zeitzeugengespräche mit Historiker Hans-Günter Schmidt: 16 Uhr, Viktoriakaserne, Bodenstedtstraße, Ecke Zeiseweg