HAMBURGER SZENE VON MAXIMILIAN PROBST
: Jetzt wird zurückgeklaut

Ein Besen, eben in die Ecke gestellt, einmal umgedreht, weg ist er. Und dann erst die Sache mit der Säge!

Die Jungs vom Bau werden beim Mittagspausen-Pils gesprächig. Einer erzählt von der Palette, die nachts im Keller des halbfertigen Hochhauses am Elbufer in Flammen aufgegangen sei: „Brandstiftung vermutlich.“ Ein anderer spöttelt über Konstruktionsfehler, die dem Bauherrn teuer zu stehen kämen. Ein dritter sagt, die gestiegenen Kosten hingen auch mit der Klauerei zusammen: Dämmmaterial, am Abend abgeladen – am nächsten Morgen nicht mehr gesehen.

Wer so was tut? Hier nun nimmt das heitere Mittagsgespräch eine abgründige Wendung, die einer der Jungs mit der klassischen Formel des kleinbürgerlichen Ressentiments einleitet: „Das darf man ja nicht laut sagen“, sagt er. Und tut es doch: „Die Polen.“ Seit die auf den Baustellen herumwuselten, verschwände einfach alles. Ein Besen, eben in die Ecke gestellt, einmal umgedreht, weg ist er. Und die Sache mit der Säge! Der Bauarbeiter haut sich auf die Schenkel. Eine Säge mit lauter abgebrochenen Zähnen! Den Besitzer habe sie dennoch gewechselt.

Aber dumm ist der Deutsche natürlich nicht. Von einem Polen lässt er sich schon gar nicht foppen. „Ist doch klar, dass auch wir jetzt das eine oder andere mitgehen lassen“, sagt der Bauarbeiter stolz und jenseits von jeglichem Unrechtsbewusstsein. Schließlich hat der Pole angefangen. Der Deutsche hat nur reagiert: Ab heute wird zurückgeklaut.