Schwer verdauliche Karthasis

PERSONALITY SHOW Seit über 10 Jahren überzieht Jamie Stewart als Xiu Xiu eine auf Fröhlichkeit abonnierte Welt mit seiner schwer verdaulichen Selbstreinigung

Er singt von Missbrauch, Selbsthass, der Arbeit in den Sweatshops

VON NILS SCHUHMACHER

Als Teenager stellte er Tapes mit „hinterhältigen Texten über die einzelnen Kinder in meiner Klasse“ her, die er ihnen dann verkaufte, was rasch zu einer gewissen Unpopularität führte. Inzwischen hat Jamie Stewart diese spezielle Art der Subversion auf eine höhere Ebene transformiert und widmet seine volle Konzentration den Selbstbespiegelungen gesellschaftlicher Randgestalten, zu denen er unbedingt auch selbst gehört.

Seit über zehn Jahren gabelt der Mann in allen Ecken der USA musikalische Multitalente auf, nennt sich mit ihnen gemeinsam Xiu Xiu und überzieht eine auf Fröhlichkeit abonnierte Welt mit einem insgesamt schwerverdaulichen Musik-Entwurf, der bei genauer Betrachtung so ziemlich alles enthält, was Pop anziehend macht und tödlich verletzt.

Musikalisch präsentiert sich die Band, die jüngst ihr achtes Studioalbum veröffentlicht hat, jedenfalls als eklektizistischer, exzentrischer, mal destruktiver, mal lockender Fetzen aus Synthiepop, Disco, Post-Punk und Klangcollage mit geradezu avantgardistischer Potenz.

Und dazu kämpft sich Stewart mit einer entfernt an Connor Oberst (Bright Eyes) erinnernden, mal heiser-hauchenden, mal deklamierenden, mal klagenden Stimme durch allerlei Verwerfungen. Er singt von Missbrauch, Selbsthass, der Arbeit in den Sweatshops, dem Recht auf sexuelle Differenz. Wer angesichts dieser Ballung an Problematiken davon ausgeht, dass sich dies live in einer Messe der Niedergeschlagenheit präsentiert, liegt allerdings falsch. Erlösung und Selbstreinigung sind natürlich angesagt.

■ Do, 12. 4., 21 Uhr, Kampnagel, Jarrestraße 20