Konflikt um Villen-Abriss: Ein Denkmal fällt

Eine 140 Jahre alte Villa in Rothenburgsort soll abgerissen werden. Das Fundament wurde unterspült - eine Sanierung sei nun nicht mehr möglich, meint der Eigentümer.

Landmarke mit Verfallsdatum: Die Cargill-Villa. Bild: Ingo Böttcher

Sie ist ein Lichtblick im ansonsten eher tristen Stadtteil Rothenburgsort – die Villa am Ausschläger Elbdeich 50. Ein weißes Gebäude, 140 Jahre alt mit hölzernem Dachgiebel, direkt am Hafen gelegen. Den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs hielt das kleine Gebäude stand, doch nun will der Eigentümer, ein amerikanischer Lebensmittelkonzern, es abreißen.

Baufällig war die Villa schon lange. Anwohner nannten sie gar den „schiefen Turm vom Elbdeich“. Nachdem Ende des vergangenen Jahres die Kaimauer wegbrach, wurde das Grundstück unterspült. Der Boden setzte sich daraufhin in Bewegung und das Bauamt verbot das Betreten des Hauses.

„Die Lage ist verzwickt“, sagt Beate Schierwagen, Pressesprecherin von Cargill, die seit 2005 Eigentümerin des Geländes ist, auf dem auch die alte Villa steht. „Eigentlich würden wir das Haus gerne erhalten, doch wir sehen gegenwärtig keine andere Möglichkeit, als es abzureißen“, sagt Schierwagen.

Was sie meint, klingt zunächst widersprüchlich: Weil das Gelände als Kampfmittelverdachtsgebiet gilt, muss zunächst eine Sondierung erfolgen, bevor Sanierungsmaßnahmen ergriffen werden können. „Aufgrund des instabilen baulichen Zustandes wurde dies von Anbietern einer Kampfmittelsondierung abgelehnt“, klagt die Pressesprecherin. Um einen unkontrollierten Einsturz zu verhindern, hat die Firma nun einen Abrissantrag gestellt.

Die Haltung von Cargill stößt bei lokalen Politikern und einer Anwohnerinitiative auf wenig Verständnis. Susanne Buhl, SPD-Bezirksabgeordnete, findet, dass Cargill viel früher hätte aktiv werden müssen. Der Eigentümer wehrt sich gegen diesen Vorwurf. Immer wieder habe man Verbesserungsmaßnahmen vorgenommen und diverse Gutachten in Auftrag gegeben, heißt es von Cargill. Weil das Gebäude nur als Abstellfläche genutzt wurde, fiel allerdings erst spät auf, dass erhöhter Sanierungsbedarf bestehe.

„Es ist schade, dass es soweit kommen musste“, findet Ingo Böttcher von der Stadtteilinitiative Hamburgs Wilder Osten. Er glaubt, dass sich hinter der „verzwickten Lage“, in der sich Cargill sieht, in Wahrheit eine Geldfrage verbirgt. „Denen ist die Sanierung zu teuer“, meint Böttcher. Eine Auskunft der Kulturbehörde gibt ihm recht: Weil das Gebäude als „erkanntes Denkmal“ gilt, hatte das Denkmalschutzamt den Eigentümer aufgefordert, eine Wirtschaftlichkeitsrechnung aufzustellen. Die Summe für eine Sanierung war so hoch, dass auch die Kulturbehörde den Weg für einen Abriss frei machte. Sie lehnte damit auch einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen in der Bezirksversammlung ab, der die Kulturbehörde aufforderte, das Gebäude unter Denkmalschutz zu stellen. Die Hoffnung, auf politischem Wege gegen den Abriss vorzugehen, scheint damit erledigt.

Auf der Unternehmenshomepage von Cargill finden sich diverse Beiträge zur unternehmerischen Verantwortung. 2007 gründete das Unternehmen den „Cargill Cares Council“, „um einen positiven Beitrag für unser Umfeld und das Gemeinwesen zu leisten“, heißt es dort. Genau das habe Cargill in diesem Fall verpasst, findet Böttcher. Denn: „Wer dieses Schmuckstück so lange verkommen lässt, braucht sich nicht zu wundern, dass die Rechnung dann etwas größer wird.“

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