SPRACHRÄUME

Die Figuren griechischer Dramen werden häufig für die Bühne zu neuem Leben erweckt und mühen sich hier in zeitgemäßeren Konflikten. Angelika Landwehr stellt „Kassandra“, die trojanische Königstochter mit der Gabe einer Seherin, ins Scheinwerferlicht, allerdings dient ihr die Neuinterpretation der Schriftstellerin Christa Wolf aus dem Jahr 1983 als Vorlage. Die Wolf’sche Kassandra lebt als Intellektuelle in der DDR und will, wie das Original, ein stummes, gar machtloses Verhältnis zum Staatsapparat illustrieren. Gehör und Glauben will sie sich verschaffen und scheitert, auch und gerade an den patriarchalen Herabsetzungen, die sie in einen goldenen Käfig respektive den Palast sperren wollen. Die Gabe der Sehenden wandelt sich in einen Fluch, der in der Antike wie zu Zeiten der feministischen Bewusstwerdung in die Tragödie führt. In diesem dramatischen Schauspielsolo erhebt eine neue Kassandra wieder den Kopf. Bis 26. Mai, Do–Sa, jeweils 20 Uhr, Theater in der Washingtonallee, Washingtonallee 42

Der Satz „Ich weiß, was drin ist“ prangt auf einer braunen Papiertüte, die über den Kopf gezogen das Gegenteil entlarvt. Zumindest nicht das, was draufsteht. Wer, wie, was – auf diese Reise begibt sich Samuel Weiss als Regisseur und auch Schauspieler an diesem Abend in seinem Stück „Narren der Schöpfung  / Supercool 1000“. Auch buchstäblich darf diese Reise genommen werden, denn es geht zu versteckten Ecken im Schauspielhaus, an denen mögliche Identitäten gesucht werden zwischen Schein und Sein, zwischen Fiktion und Realität. In zwei Monologen schälen sich ungewöhnliche Figuren heraus, die in den Schatten zwischen Foyer, Garderobe und Kostümwerkstatt ihrer Entdeckung harren. Sa, 28. 4., 22.30 Uhr, Schauspielhaus, Kirchenallee 39

In Hochzeiten von Burn-out-Erschöpfungen und immer ausgefeilteren elektronischen Terminkalendern, die klingeln, summen oder neue Aufgaben aufploppen, rechnet das Stück „Zeit – Die erschöpfte Schnecke wirft ihr Haus weg und flippt richtig aus“ mit dem rasanten Wahnsinn ab. In ihrem neuen Stück scheucht Ingrid Lausung fünf gestresste Protagonisten durch die getaktete Welt. Sie jagen den „Deadlines“ hinterher, verkalkulieren sich und quälen sich mit zeitraubenden Arbeiten, die eigentlich doch schneller zu erledigen wären. Auch die vielfältigen Ratgeber zum gekonnten Zeitmanagement nützen wenig, wenn sie außer Atem zwischen den Zeitfenstern hecheln und letztlich gänzlich aus dem Ticken kommen. Dieser spitze Abgesang auf den effizienten Zeitgebrauch entblößt auch seine komischen Seiten, wenn die Unmöglichkeit der richtigen Zeit, des richtigen Moments oder der perfekten Sekunde vor Augen geführt wird. Sa, 28. 4. (Premiere), 20 Uhr, Hamburger Kammerspiele, Hartungstraße 9–11, weitere Termine: Mi, 2. 5. bis Sa, 5. 5, jeweils 20 Uhr  KENDRA ECKHORST