„Fehlende Wertschätzung“

Ein zufriedener Sozialforscher kritisiert Arbeit

■ 48, Sozialwissenschaftler am Hamburger Institut für Sozialforschung und Direktor des Soziologischen Forschungsinstituts Göttingen. Foto: Bodo Dretzke

taz: Herr Vogel, was kritisieren Sie an Arbeit?

Berthold Vogel: Ich persönlich bin mit meiner Arbeit völlig zufrieden. Aber auch in diesem Fall sollte man nicht von sich selbst auf andere schließen. Arbeit war immer zentraler Gegenstand von Kritik. Geschichtlich gesehen gibt es da drei zentrale Argumentationslinien. Die Entwicklung der Arbeit ging nämlich immer auch einher mit einer Veränderung ihrer Kritik.

Welches sind diese drei Hauptlinien?

Zunächst geht es um die Möglichkeit, durch Arbeit aufzusteigen und sich zu emanzipieren. Diese Kritik findet sich in der Arbeiterbewegung, aber auch im Feminismus. Die zweite Kritiklinie bemängelt fehlende Wertschätzung, Anerkennung und Selbstverwirklichung in der Arbeit. Die dritte Strömung spricht sich vor allem für neue Wirtschaftsformen aus. Zum Beispiel für Gemeingüter und lokale Wirtschaftskreisläufe.

Waren die Probleme mit Arbeit denn nicht immer die gleichen – zu lang, zu hart, zu gefährlich, zu schlecht bezahlt?

Nein, hierzulande reden wir heute vor dem Hintergrund von Sozialstaat und Arbeitsrecht über eine andere Arbeitswelt als im 19. Jahrhundert. Doch im globalen Maßstab dominieren noch immer gesundheitsgefährdende und ausbeuterische Arbeitsverhältnisse.

Haben Sie eine Utopie von der „perfekten“ Arbeit?

An unterschiedlichen Orten und von unterschiedlichen Menschen wird Arbeit völlig anders empfunden. Für den einen steht Einkommenssicherheit im Vordergrund, für den anderen beruflicher Erfolg. Ich werde mich hüten, der Gesellschaft eine Utopie von der perfekten Arbeit aufzuoktroyieren. INTERVIEW: SMW

Vortrag: „Kritik der Arbeit. Arbeit der Kritik“: 20 Uhr, Hamburger Institut für Sozialforschung, Mittelweg 36