„Bioethik betrifft jeden“

Diskussion über ethische Unterschiede

■ 38, Islamwissenschaftler und Professor an der Uni Hamburg. Er vertritt am Asien-Afrika-Institut das Fach Islamwissenschaft.

taz: Herr Eich, womit befasst sich die islamische Bioethik?

Thomas Eich: Mit allen ethischen Fragen, die in der medizinischen Praxis auftauchen: Abtreibung, künstliche Befruchtung, genetische Beratung, Klonen.

Was ist daran interessant?

Wir leben in einer pluralen Gesellschaft, also ist es wichtig, zu erkennen, dass es verschiedene ethische Ordnungen gibt. In Deutschland leben viele Muslime, für die bestimmte Fragen der Bioethik bedeutsam sind. Zum Beispiel?

Darf ich einen Impfstoff verwenden, obwohl er auf Schweinebasis ist.

Wonach wird besonders oft gefragt?

Wann Muslime ihr Kind nicht mehr abtreiben dürfen. Im Islam erlangt der Embryo am 120. Tag das Recht zu leben. Das ist ein großer Unterschied zur deutschen Rechtslage. Auch therapeutisches Klonen ist im Islam ein eher unproblematisches Thema.

Welche Rolle spielt dabei die Scharia?

Eine große, weil sie der rechtliche Rahmen ist. Deswegen gibt es im Nahen Osten zum Beispiel keine Medikamente, die Alkohol enthalten; denn die Scharia verbietet den Konsum.

Interessieren sich viele Leute für Ihre Vorträge?

Nein, ich fülle keine Hörsäle.

Woran liegt das?

Wenn einen Themen wie Klonen oder Abtreibung selbst nicht betreffen, möchte man meist nicht auf einer abstrakten Ebene darüber diskutieren. Wann beginnt Leben? Diese Frage ist eben schwer zu beantworten. Viele bezeichnen die Bioethik als schöngeistig; dabei betrifft sie jeden, da sie sich auf die Lebensrealität bezieht. INTERVIEW: AMA

Podiumsdiskussion über islamische Bioethik: 19.30 Uhr, Gästehaus der Universität Hamburg