„Asexualität ist Tabu“

Vortrag: Die (Un-)Wirklichkeiten von (A-)Sexualität

■ 27, ist diplomierte Soziologin, lehrt zur Zeit an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg und ist aktiv in der AG Queer Studies.

taz: Frau Scheunemann, braucht der Mensch Sexualität?

Judith Scheunemann: Nein, nicht jeder. Asexualität lässt sich aber nur erklären und begreifen, wenn man die Stellung der Sexualität in der Gesellschaft hinterfragt.

Wie definieren sich asexuelle Personen?

Es kursieren einige Definitionen. Auf asexuality.org, einem Forum für Asexualität, wird diese umschrieben mit dem Nichtverlangen nach sexueller Interaktion. Eine klare Definition gibt es aber nicht, weil letztlich jeder seine Sexualität oder eben seine Asexualität selbst definiert.

Was hat Sigmund Freud mit Asexualität zu tun?

Freud ist einer der am häufigsten Rezensierten zum Thema Sexualität. Asexualität hätte, wenn man mit Freud ginge, stets etwas Mystisches und damit Pathologisches. Asexualität ist aber genauso wenig krankhaft wie Homo- und Heterosexualität. Es geht also darum, zu entmystifizieren und über Asexualität aufzuklären.

Kann man das Phänomen Asexualität als eine Gegenreaktion auf die Sexualisierung unserer Gesellschaft verstehen?

Das würde bedeuten, dass es Asexualiät vorher nicht gegeben hat. Sie wäre, wenn man das bejahen würde, geboren aus einem gesellschaftlichen System. Das ist meines Erachtens nicht der Fall.

Wird Asexualität in unserer Gesellschaft tabuisiert?

Sexualität wird immer mit Geschlecht und Macht in Verbindung gebracht. Die Gesellschaft nimmt an, dass Sexualität etwas Natürliches sei und jeder Mensch von Geburt an sexuell. Asexualität greift dieses System an, weil sie das Feststehende hinterfragt und davon Abstand nimmt. INTERVIEW: ALW

Vortrag „(Un-)Wirklichkeiten von (A-)Sexualität“: 19.15 Uhr, Uni, Raum 0079, Von-Melle-Park 5