„Camp verspottet Normen“

Vortrag über eine freche, doch unbekannte Kunst

■ 35, ist Dozent am Institut für Anglistik und Amerikanistik der Uni Oldenburg und arbeitet im Bereich Kultur- und Literaturwissenschaft.

taz: Herr Lassen, was ist Camp?

Christian Lassen: Eine Kunstform der antinormativen Ästhetik und gleichzeitig eine Weltsicht, die Diskurse mit etwas Ungewolltem ausstattet.

Nochmal auf Deutsch, bitte.

Camp ist in allen kulturellen Produkten zu finden: sei es im Film, der Musik oder der Literatur. Diese Kunstform nutzt die Parodie, um gesellschaftliche Normen zu untergraben. Einerseits ist sie politisch, andererseits schafft sie einen Mehrwert für das Individuum, der schön ist. Primäre Zielscheibe dieser politischen Attacken ist das Geschlecht und die normative Sexualität.

Inwiefern?

Drag-Queens sind zum Beispiel campy. Sie transportieren eine politische Botschaft, die traditionelle Geschlechterrollen ad absurdum führt. Ästhetisch ist, dass sich eine Drag-Queen selbst eine Persönlichkeit schafft. Tiffany-Lampen, Seifenblasen, Federboas: Auch das ist Camp.

Warum ist diese Kunstform dennoch so unbekannt?

Weil sie einen Blick auf Bestehendes wirft, der meist abschreckt. Camp ist kein Mainstream, sondern das Gegenteil. Durch die Übertreibung erreicht sie eine Wertschätzung des vermeintlich Nutzlosen und attackiert das Normale; damit kann sich Otto Normalbürger nicht anfreunden.

Was genau ist die Intention von Camp?

Ich zitiere Philip Core: „Camp ist eine Lüge, die die Wahrheit sagt.“ Künstler nutzen sie, um eine vermeintliche Wahrheit bloßzustellen. Oft heißt es, Camp sei pathetischer Kitsch. Das stimmt aber nicht. Kitsch ist naiv, Camp etwas, das augenzwinkernd gesellschaftliche Normen verspottet.   INTERVIEW: AMA

Vortrag „Über das Künstliche und die Übertreibung in der populären Kultur“: 20.30 Uhr, Café Munck, Gilbertstraße 60