„Keine Koalition mit Olaf Scholz“

EINHEITSLISTE Die Parteien im Rathaus suchen verstärkt Kooperation statt Konfrontation. Linken-Fraktionschefin Dora Heyenn im taz-Interview über die Konsenssucht im Rathaus

■ 63, Lehrerin, verwitwet, drei Kinder. Von 1971 bis 1999 SPD-Mitglied, 1990 bis 1992 Landtagsabgeordnete in Schleswig-Holstein, seit 2005 WASG, ab 2007 Linke, seit 2008 Mitglied der Hamburger Bürgerschaft (MdHB) und Fraktionschefin.

INTERVIEW SVEN-MICHAEL VEIT

taz: Frau Heyenn, in der Bürgerschaft sind seit Jahresbeginn viele Beschlüsse mit breiten Mehrheiten oder sogar einstimmig gefasst worden. Gibt es im Rathaus eine neue Konsenssucht?

Dora Heyenn: Nein, und unser Bestreben als Linke wäre das auch nicht. Wir legen Wert auf unsere Glaubwürdigkeit als Opposition. Dem Transparenzgesetz und der Stärkung der direkten Demokratie haben wir zugestimmt; großartig finde ich, dass alle Fraktionen in der Bürgerschaft sich auf die Errichtung eines Deserteursdenkmals verständigt haben. Wenn Vorschläge in unsere Richtung gehen, versperren wir uns nicht. Das wäre widersinnig. Wir haben als Linke schon in der vorigen Legislaturperiode mit Schwarz-Grün und SPD zusammen die Schulreform mitgetragen – an uns ist die nicht gescheitert.

Also Kooperation nur da, wo sie inhaltlich begründbar ist?

Etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen. Daneben haben wir unser Alleinstellungsmerkmal vor allem im sozialen Bereich, wo die Linke die einzige Fraktion ist, die immer wieder die Solidarität mit den Schwachen einfordert. Das gilt vor allem für die Prekarisierung im Arbeitsleben, sowohl in der freien Wirtschaft als auch im öffentlichen Dienst.

Ist das eine Frage der politischen Hygiene, nicht Fundamentalopposition um jeden Preis zu betreiben?

Mit Fundamentalopposition könnte ich nichts anfangen.

Selbst nicht bei diesem Bürgermeister?

Olaf Scholz (SPD) ist der Architekt der Agenda 2010 – selbstverständlich ist keine Koalition mit ihm für uns Linke denkbar. Aber eine punktuelle Zusammenarbeit mit der SPD-Fraktion, wenn sie denn mal was richtig macht, geht schon.

Könnte die Kooperationsbereitschaft der SPD ein Lockangebot sein, um die Opposition zu spalten?

Wir beobachten schon mit Interesse, wie die SPD die Kontakte zu anderen Fraktionen pflegt. Die wissen ja auch, dass sie nach der nächsten Wahl ohne absolute Mehrheit einen Partner brauchen. Und da wird dann mal hier, mal dort ein Leckerli angeboten. Auffällig finde ich, dass die SPD vor allem die FDP umgarnt.

Mehr als die Grünen?

Ja, deutlich mehr.

Die FDP-Fraktionsvorsitzende Katja Suding sagte vorige Woche im taz-Interview, sie könne sich eine Koalition mit der SPD vorstellen.

Ja, habe ich gelesen. Da sieht man doch, dass die Taktik funktioniert: Wer sich anfüttern lässt, wird eben handzahm.

Es gibt also im Rathaus keine Einheitsliste, sondern den Versuch, Parteiengezänk zu minimieren?

Unterschiedlicher als CDU, Grüne, FDP und Linke kann Opposition kaum sein. Aber eben darum verfährt die SPD nach dem Prinzip „Teile und herrsche“.

Bei der Verankerung der Schuldenbremse in der Hamburger Verfassung hat die Linke nicht mitgemacht. Warum finden Sie Schuldenmachen so super?

In diesem Jahr gab es bereits zwei einstimmige Beschlüsse der Bürgerschaft: die Reform der bezirklichen Bürgerbegehren und das Transparenzgesetz.

■ Die Reform von Volksentscheiden wollen SPD, CDU, Grüne, FDP und Linke im Herbst als Verfassungsänderung einstimmig beschließen.

■ Die Schuldenbremse wurde von der SPD zusammen mit Grünen und FDP, der Nichtraucherschutz von der SPD mit CDU und Linken beschlossen.

Gegen die Schuldenbremse zu sein, heißt nicht, für Schulden machen zu sein.

Eine feinsinnige Differenzierung.

Ich will Sie nicht überfordern. Aber: Die Bremse wird nicht funktionieren, wenn nicht die Einnahmen erhöht werden. Immer nur die Ausgaben zu drosseln und vor allem im Sozialbereich zu kürzen, ist kein Weg, den die Linke akzeptieren kann. Wir finden, dass die Steuermehreinnahmen nur zur Hälfte für die Tilgung von Schulden verwendet werden sollten, die andere Hälfte für soziale und andere dringend notwendige Projekte.

Aber liefern Sie Hamburg damit nicht faktisch weiter den Banken und Finanzhaien aus?

Wollen Sie es nicht verstehen? Wir müssen die Einnahmen erhöhen. Die beste Schuldenbremse wäre die Millionärssteuer.

Wollen Sie bei der nächsten Bürgerschaftswahl in zweieinhalb Jahren wieder Spitzenkandidatin werden?

Darüber können wir in zwei Jahren reden.

Eine längere Fassung des Interviews finden Sie auf www.taz.de

Nächstes Interview: Andreas Dressel, SPD