Erst raus, dann rein

CHRISTOPHER STREET DAY Hamburger Schwulen- und Lesben-Parade vermeldet Besucherrekord. Hickhack um die Teilnahme von CDU- und FDP-Politikern

Die Paradegespanne von FDP und LSU mussten vereinzelte Buhrufe und Schmähungen hinnehmen

Bis zu 200.000 Teilnehmerinnen waren erwartet worden, immerhin rund 120.000 Personen machten sich am Samstag trotz teilweise starkem Regen nach St. Georg auf – und bescherten der Parade zum Hamburger Christopher Street Day (CSD) einen neuen Besucherrekord.

Dabei hatten die Veranstalter des schrill-bunten Aufmarschs der Homo-, Bi-, Trans- und Intersexuellen im Vorfeld in gewisser Weise versucht, das Teilnehmerfeld zu dezimieren: In einem offenen Brief waren Mitglieder und offizielle Vertreter von CDU und FDP aufgefordert worden, der Veranstaltung unter dem Motto „Ehe 2.0 – Nach den Pflichten jetzt die Rechte“ fernzubleiben. Der Grund: Im Juni hatte Schwarz-Gelb im Bundestag gegen die völlige rechtliche Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften mit der Ehe gestimmt. „Ihre Parteien haben mit dem Abstimmungsverhalten gezeigt, dass sie nicht hinter dem Motto“ des CSD stünden, hieß es in dem Schreiben.

Eine Aussperrung, die teils trotzige, teils aggressive Reaktionen bei den als unerwünscht Erklärten hervorrief. Während der Landesvorsitzende der Hamburger Lesben und Schwulen in der Union (LSU) mit einem forschen „Jetzt erst recht!“ zur Teilnahme mobilisierte, drohte der bekennend schwule CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Roland Heintze mit Konsequenzen: Da der CSD offenbar parteipolitisch nicht neutral sei, müsse ihm möglicherweise die Gemeinnützigkeit entzogen werden. Über derlei Fragen entscheiden allerdings nicht die Hamburger Politiker und schon gar nicht jene in der Opposition – sondern einzig das Finanzamt.

Vorläufiger Schlusspunkt des Konflikts: Einige Unionisten und Liberale ließen sich ihre Teilnahme am CSD nicht nehmen, die Paradegespanne von FDP und LSU mussten vereinzelte Buhrufe und Schmähungen hinnehmen.

Die Bitte an die Parteien, auf ihre Teilnahme freiwillig zu verzichten, war auch in der homosexuellen Community umstritten gewesen. Bei einer Internet-Abstimmung des schwul-lesbischen Magazins Queer, an der sich mehr als 1.100 Personen beteiligten, wollten 38 Prozent auf dem „Festival der Toleranz niemanden ausschließen“, während 37 Prozent fanden, „wer gleiche Rechte verhindert, hat auf dem CSD nichts zu suchen“.

Eine Kehrtwende vollzogen am Ende auch CSD-Veranstalter selbst: Kurzfristig luden sie neben dem Christdemokraten Heintze noch den FDP-Bundestagsabgeordneten Burkhardt Müller-Sönksen für Samstagnachmittag zu einer Diskussionsrunde ein. Beide Politiker nahmen daran teil.  mac