„Kein mosernder Alter“

Norbert Gansel (SPD) spricht über Ethik und Politik

■ 72, ist seit 1965 Mitglied der SPD, war bis 1997 Bundestagsabgeordneter. Der Jurist war von 1997 bis 2003 Oberbürgermeister von Kiel.

taz: Herr Gansel, was ist für Sie Ethik in der Politik?

Norbert Gansel: Für mich ist es die Transparenz in der Politik. Ich habe immer versucht, dem Entfremdungsprozess zwischen Parlament, der Parteibasis und dem Wähler entgegenzusteuern.

Ist das nicht auch die Transparenz, die sich die Piratenpartei auf die Flaggen schreibt – und mit der sie große Erfolge hat?

Die Abgeordneten der Piratenpartei in Schleswig-Holstein legen ihre Einkommensverhältnisse nicht offen. Das ist nicht transparent.

Warum haben Sie Ihre Bezüge 1977 veröffentlicht?

Ich sehe es als selbstverständlich an, die Einkünfte vor den Menschen offenzulegen, die mich gewählt haben. Dass die Nebeneinkünfte der Bundestagsabgeordneten trotz UNO-Konvention in Deutschland nicht öffentlich sind, ist ein Skandal.

An die von Ihnen schon früh geforderten Verhaltensregeln für Bundestagsabgeordnete halten sich heute nur wenige.

Das stimmt. Ich verfolge diese Entwicklung weiter, möchte aber kein mosernder Alter sein, der der tagesaktuellen Politik mit erhobenem Zeigefinger begegnet. Alles hat seine Zeit.

Wie haben Sie den Dialog mit den Wählern gesucht?

Es war mir wichtig, wöchentliche Bürgersprechstunden in meinem Wahlkreis abzuhalten. Außerdem finde ich, dass die Abgeordneten ihr Abstimmungsverhalten offenlegen sollten.

Sie selbst haben neben Ihrem Beruf Praktika absolviert – etwa bei der Post oder einer Werft. Warum?

Ich habe dies als Ausgleich zu meiner Haupttätigkeit getan. Diese sozialen Kontakte waren mir wichtig. INTERVIEW: SMY

Gespräch mit Kiels Ex-OB Norbert Gansel über Ethik und Politik: 19 Uhr, Kulturhaus Hamm, Carl-Petersen-Straße 76