Jeremie ist wieder da

FLUCHT Wochenlang verschwundener Elfjähriger wird in psychologischer Einrichtung untersucht. Behörden erleichtert. Staatsanwaltschaft ermittelt

Der Fall sorgte für Diskussionen: Gehört ein Elfjähriger im Zirkus untergebracht?

Mehr als vier Wochen nach seiner spektakulären Flucht aus einem Wanderzirkus in Mecklenburg-Vorpommern ist der elfjährige Jeremie wieder aufgetaucht. Der Ausreißer sei in eine kinder- und jugendpsychologische Einrichtung gebracht worden, teilte das Bezirksamt Mitte mit. Demnach gaben seine Großeltern den Ausreißer in die Obhut der Hamburger Behörden.

Das Pflegekind soll am 20. November im Kleintransporter der Zirkusfamilie, bei dem es das Jugendamt Hamburg-Mitte unterbringen ließ, vom 100 Kilometer entfernten Lübtheen nach Hamburg geflohen sein. Dort hatte er – wegen der Drogensucht seiner Mutter – früher bei seinen Großeltern gelebt. Nach Problemen hatte ihnen das Familiengericht das Sorgerecht entzogen. Vor knapp zwei Jahren kam Jeremie dann als Pflegekind in eine Zirkusfamilie.

Angeblich hatte die Flucht des Elfjährigen auch damit zu tun, dass der zuständige Betreuer in Lübtheen erklärt hatte, es wäre besser, Jeremie feierte Weihnachten nicht bei seiner leiblichen Familie. Wo genau er die vergangenen Wochen verbracht hat, war lange unklar. Die Hamburger Polizei hatte intensiv nach ihm gesucht.

Der Junge solle nun zunächst einige Tage in der kinder- und jugendpsychologischen Einrichtung bleiben, kündigte die Sprecherin des Bezirksamts, Sorina Weiland, an. Dass Jeremie in die Einrichtung kam, sei Teil einer Vereinbarung, auf die man sich bei einem Familiengerichtstermin verständigt habe.

Derweil ermittelt die Hamburger Staatsanwaltschaft wegen Jeremies Flucht gegen unbekannt. Man habe das Verfahren von der Staatsanwaltschaft Schwerin übernommen, sagte Sprecher Wilhelm Möllers. Der Kernvorwurf der Ermittlungen beziehe sich auf Kindesentziehung: „Wir müssen nun abklären, wo sich der Junge zu welchem Zeitpunkt mit wem an welchem Ort aufgehalten hat.“

Der Fall hatte für hitzige politische Diskussionen gesorgt. Im Zentrum stand die Frage, ob es sinnvoll ist, einen Elfjährigen als Pflegekind in einem Wanderzirkus unterzubringen. Auch die hohen Kosten von rund 7.400 Euro pro Monat sorgten für Aufregung. Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) ordnete eine Überprüfung vergleichbarer Fälle an. Ehe das Jugendamt Mitte Jeremie in dem Zirkus unterbringen ließ, hatten mehrere angefragte Jugendhilfe-Träger es abgelehnt, den Jungen aufzunehmen.

„Wir sind froh und erleichtert, dass Jeremie wieder in behördlicher Obhut ist“, teilte gestern der Leiter des Bezirksamts Mitte, Andy Grote (SPD), mit. Alle weiteren Entscheidungen würden erst nach der dort vorgesehenen, gründlichen Untersuchung des Jungen getroffen.  (dpa/taz)