Flüchtlinge kapern Kunst-Kartons

PERFORMANCE Während einer Führung durch die Sammlung Falkenberg in Harburg besetzen Lampedusa-Flüchtlinge eine betont politische Arbeit von Santiago Sierra – und dürfen vorerst bleiben

Sierra selbst sei „begeistert“ gewesen, sagt Sammler Harald Falkenberg

Ein Kunstwerk zeitweise besetzt haben am Freitag zwölf der afrikanischen Flüchtlinge aus der St.-Pauli-Kirche. Bei einer Führung durch die Ausstellung des spanischen Künstlers Santiago Sierra in der Sammlung Falckenberg in Harburg stülpte ihnen das Künstlerpaar Nadja und Dr. Hollihore Pappkartons über. Wie der Kunstsammler Harald Falkenberg gegenüber der Süddeutschen Zeitung sagte, hatten sich die Männer zuvor ordnungsgemäß zu der Führung angemeldet.

In einer Erklärung hieß es, die Flüchtlinge hofften, in den kommenden Wochen Teil der Installation sein zu dürfen. Dadurch wollten sie auf ihr Schicksal aufmerksam machen. Die Männer leben seit Juni in der St.-Pauli-Kirche; einige von ihnen schlafen auch in den Straßen. Die Männer stammen überwiegend aus Westafrika und hatten in Libyen als Wanderarbeiter gearbeitet. Als der Bürgerkrieg ausbrach, flüchteten sie auf die italienische Insel Lampedusa. Die italienischen Behörden schickten sie mit Touristenvisa nach Nordeuropa. So gelangten rund 300 von ihnen nach Hamburg.

Der Künstler selbst war Falkenberg zufolge „begeistert“ von der Aktion, schreibt die Süddeutsche weiter. Auch Dirk Luckow, Intendant der Deichtorhallen, gab sich entspannt. Die Aktion spiegele die Haltung des politisch engagierten Sierra wider. Ob sie über das Wochenende hinaus fortgesetzt wird, sollte gestern verhandelt werden.

Wenig begeistert von der Besetzung des Kunstwerks war Sammlungsmanager Uwe Lewitzky. „Die Kartons sind eine Skulptur“, sagte er am Freitag. Auch habe er kein gutes Gefühl dabei, Menschen in dieser Art auszustellen.

Erstmals gezeigt hat Sierra die Skulptur „Acht Personen, die dafür bezahlt werden, in Pappkartons zu bleiben“ 1999 in Guatemala City. Er selbst setzte früher Niedriglohnempfänger in die Kartons und zahlte ihnen sieben Euro pro Stunde. Die Boxen sind zu niedrig, um in ihnen zu stehen, zu eng zum Liegen.

Die Lampedusa-Flüchtlinge hoffen darauf, dass die öffentliche Aufmerksamkeit ihnen dabei hilft, in Hamburg bleiben zu dürfen. Sie fordern ein Bleiberecht aus humanitären Gründen. Mit ihren Papieren dürfen sie sich im Schengen-Raum aufhalten, haben in Hamburg aber keinen Anspruch auf Arbeit oder Unterstützung.  (dpa/taz)