„Wir gehen in die Offensive“

TAZ SALON Bei „Hate Poetry“ geben drei Journalisten rassistische Leserbriefe der Lächerlichkeit preis

■ 38, hat deutsche und jordanische Vorfahren, kam über die taz und Spiegel Online zur Zeit. Foto: Annika Langosch

taz: Sie und Ihre Kollegen Özlem Gezer vom Spiegel und Özlem Topçu von der Zeit bekommen regelmäßig rassistische Hass-Mails auf Ihre Artikel. Worüber müssen Sie schreiben, damit die Mails kommen?

Yassin Musharbash: Wehe, ein Migrant schreibt einen Kommentar über Sarrazin – da hagelt es Hate-Mails. Ein Reizthema ist auch, wenn jemand mit einem nahöstlichen Namen über die NPD, Pro-Deutschland oder Pro-NRW schreibt. Özlem Gezer kriegt auch Hate-Mails, wenn sie über Roma und Sinti schreibt. Ich schreibe viel über Terror und kriege dann oft Hate-Mails von Islamisten.

Was haben die für ein Problem mit Ihrer Arbeit?

Sie halten mich für einen Moslem und sind der Meinung, dass das, was ich tue, den Dschihadisten schadet. Das muss natürlich geahndet werden.

Warum bekommt Özlem Gezer Hate-Mails, wenn sie über Sinti und Roma schreibt?

Die gedankliche Verbindung ist: Wenn eine Türkin über Sinti und Roma schreibt, dann kann das natürlich nur aus einer gemeinsamen Sozialschmarotzer-Perspektive heraus passieren. Da hilft dann der eine Schmarotzer dem anderen publizistisch.

Auf welchem Wege erreichen Sie die Zuschriften?

Die meisten per E-Mail. Ab und zu kommt mal was mit der Post, vor allem, seit ich bei der Zeit bin. Und mittlerweile passiert es auch auf Twitter.

Wie viele der Hass-Mails werden mit einem Klarnamen unterschrieben?

Ungefähr die Hälfte. Es sind erstaunlich viele Leute, die unter Klarnamen schreiben. Manchmal habe ich geantwortet und dann festgestellt, dass die E-Mail-Adresse eigens für die Beschimpfung eingerichtet worden ist.

Bei den Hate-Poetry-Lesungen wird viel gelacht, aber wahrscheinlich ist es nicht immer lustig, Hate-Mails zu kriegen.

Nein. Ebru Tasdemir hatte die Idee, dass wir damit an die Öffentlichkeit gehen sollen. Wir waren uns aber einig, dass wir keine Betroffenheitsveranstaltung wollen. Dafür sind wir zu selbstbewusst.

Verletzen Sie die Zuschriften auch?

Natürlich tut das weh, wenn du mit solchen Sachen alleine ins Bett gehst. Aber wir weigern uns, uns verletzen zu lassen. Deswegen gehen wir in die Offensive: Wir feiern eine Party! Und egal, wo wir das machen, es kommen immer 200 Leute und lachen sich mit uns über die Verfasser der Mails kaputt.  INTERVIEW: KLI

taz Salon „Hate Poetry“: 19.30 Uhr, Kulturhaus 73