„Expansive Ideologie“

STAAT & RAUM Das Giga-Institut arbeitet die Nazi-Vergangenheit seines Gründungsdirektors auf

■ 67, Ökonom, von 2004 bis 2011 Präsident des Giga-Instituts. Ko-Autor eines Papers zur Vergangenheit von Andreas Predöhl.

taz: Herr Kappel, wer war Andreas Predöhl?

Robert Kappel: Predöhl war ein ziemlich bekannter und einflussreicher deutscher Wirtschaftswissenschaftler. Er hat von 1934 bis 1945 das Institut für Weltwirtschaft in Kiel geleitet und war Präsident der Kieler Universität. 1964 war er dann Gründungsdirektor des deutschen Übersee-Instituts, das 2005 in Giga umbenannt wurde. Als Berater hat er zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beigetragen.

Was genau hatte Predöhl mit dem NS-Regime zu tun?

Unter seiner Leitung als Präsident des Instituts für Weltwirtschaft wurden im Auftrag der Hitler-Regierung mehr als 2.000 Berichte für das Oberkommando der Wehrmacht geschrieben. Es ging darum, wie man die Ressourcen Osteuropas für das Nazi-Regime nutzen kann. Predöhl war ein direkter Vertreter einer expansiven Ideologie und hat zur Ausdehnung des Nazi-Reiches beigetragen.

Wie wird man vom Nazi-Ideologen zum Wegbereiter der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft?

Predöhl hat die Vorstellung vertreten, dass Wirtschaftsraum und Staatsraum übereinstimmen sollten. Sein Konzept des Staatsraums wurde von den Nazis für deren expansive Strategie genutzt. Später hat Predöhl dieses Konzept auf die Errichtung eines vereinten Europas übertragen. Die Idee war ja, einen Wirtschaftsraum und europäische Institutionen zu schaffen, die diesen Raum steuern. Daraus ist die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft entstanden und Predöhl hat als Berater daran Teil gehabt.

Wie geht das Institut mit der Vergangenheit des Gründungsdirektors um?

Seine Geschichte wurde leider erst Ende der 1990er-Jahre bekannt und das Giga hat sie erst jetzt in einer Studie aufgearbeitet. Das Thema soll nun aber über einen kleinen Expertenkreis heraus der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden.

Mit welchem Ziel?

Wir wollen auf eine Frage aufmerksam machen, die sich viele Forscher stellen: Wie groß ist die Bereitschaft, sich kritiklos oder willkürlich in den Dienst autoritärer Regierungen zu stellen? Das ist ein Thema, dass auch heute die Wissenschaft beschäftigt. Wir sollten uns nicht instrumentalisieren lassen. INTERVIEW: KES

Diskussion „Raum, Welt, Wirtschaft – Andreas Predöhl: Vom Nazi-Kollaborateur zum Vordenker der EWG“: 18 Uhr, German Institute of Global and Area Studies (Giga), Neuer Jungfernstieg 21