BMX als Olympia-Disziplin: Spaß und Spiele

Die Jugend der Welt trifft sich bei den Spielen. Hofft das IOC. Und nimmt deshalb Trendsportarten auf ins Programm. Das neueste Kindchen der Olympia-Familie: BMX

Ab Mittwoch fliegen BMX-Räder durch Pekings trübe Luft. Bild: ap

Zuletzt eingeführt:

- BMX (2008)

- Taekwondo (2000)

- Triathlon (2000)

- Trampolinturnen (2000)

- Beachvolleyball (1996)

- Mountainbike (1996)

- Softball (1996)

- Baseball (1992)

- Badminton (1992)

- Tischtennis (1988)

- Sportgymnastik (1984)

- Synchronschwimmen (1984)

- Kanuslalom (1972)

- Judo (1964)

Antrag auf (Wieder-)Aufnahme zu den Olympischen Spielen 2012 abgelehnt: Golf, Inline-Skating, Karate, Rugby, Squash

Zwischenzeitlich draußen:

- Bogenschießen (1924-1968)

- Tennis (1924-1988)

- Handball (1948-1972)

- Kanuslamom (1976-1988)

Ganz früher mal dabei:

- Seilklettern (1896)

- Cricket (1900)

- Croquet (1900)

- Golf (1900-1904)

- Pelota (1900)

- Polo (1900, 08, 20, 24, 36)

- Rugby (1900, 08, 20, 24)

- Tauziehen (1900-1920)

- Lacrosse (1904-1908)

- Motorbootrennen (1908)

- Rackets (1908)

- Kunstreiten (1920)

Auf der großen Rampe piept die Startuhr herunter. Roger Rinderknecht stürzt sich hinab, Ellbogen raus, schon auf den ersten Metern kommt er mit seinen Gegnern in Berührung. Doch er setzt sich durch und biegt als Erster in die Kurve ein. Und die Flugshow beginnt: Es sind jene Bilder, mit denen die Fernsehstationen die Einschaltquote während Olympia bei Jugendlichen wieder heben wollen. Das Internationale Olympische Komitee (IOC), das nach eigenem Selbstverständnis alle vier Jahre ein Treffen der Jugend der Welt organisiert, steht unter Modernisierungsdruck.

Nach dem Training sitzt Roger Rinderknecht in seiner Kabine, er trampelt auf einem Standrad weiter, um auf Temperatur zu bleiben. Der Schweizer trinkt ein isotonisches Getränk und verschlingt einen Müsliriegel. Rinderknecht, 27, aus Winterthur ist einer von 48 Teilnehmern des BMX-Wettbewerbes, der in Peking ab Mittwochmorgen seine olympische Premiere feiern wird. Er hat seine Laufbahn begonnen wie viele seiner Kollegen. Sein Vater hatte Karriere im Motocross gemacht, aber das war ihm später zu gefährlich, zumindest für seinen Sohn. So setzte er Roger mit sechs auf eines dieser berühmten 20-Zoll-Räder, die seit den Achtzigerjahren immer beliebter wurden.

Auf der BMX-Anlage Laoshan, im Westen der chinesischen Hauptstadt gelegen, vierzig Taximinuten vom Nationalstadion entfernt, erinnert nicht viel an die olympische Rekordhatz. Die Berge sind nah und die Straßen in der Umgebung sind weniger befahren. Inmitten dieses Idylls erhebt sich ein grauer Kasten, an dessen Oberfläche zwei Dutzend Hügel und eine riesige Startrampe errichtet worden sind. Aus den Lautsprechern dringen nicht die eingängigen Orchesterpassagen, die bei jeder Siegerehrung gespielt werden, sondern Rock- und Elektromusik. Die Kontrolleure nehmen es nicht so eng, Journalisten und Fotografen spazieren munter über das Gelände. "Wir wollen den Spielen etwas Frisches geben", sagt Roger Rinderknecht. Einen großen Unterschied zu Leichtathleten oder Schwimmern sieht er nicht: "Auch wir trainieren viel, achten auf Ernährung, Ausrüstung und Schlaf."

Seitdem die Olympischen Spiele der Neuzeit existieren, müssen sich die Veranstalter für ihr Programm rechtfertigen. Welche Sportarten sind modern? Welche sind nicht mehr zeitgemäß? Und welche verkörpern wirklich den Geist der jeweiligen Epoche? So ist fast in Vergessenheit geraten, dass auch Sackhüpfen, Seilklettern oder Tauziehen schon olympisch waren, achtzig Jahre und mehr sind seitdem vergangen. 15 der 28 Sportarten sind länger als 100 Jahren im Programm. In Peking geben Baseball und Softball ihren Abschied. Werden BMX-Rennen dafür einen Wandel markieren?

Mit dem Begriff Funsport können auf der Anlage Laoshan nicht alle Fahrer etwas anfangen. Johan Lindström hat dafür eine Erklärung, der Schwede ist im Weltradsportverband UCI für die BMX-Fahrer zuständig. "Schauen Sie sich um", sagt er. "Hier geht es nicht nur um Spaß, sondern auch um Leistung und Identifikation." Er würde eher von einem Trendsport sprechen. Doch wohin führt dieser Trend? "Aus einer Sportart wird ein Lebensstil", glaubt Lindström. BMX-Fahrer pflegen ihre Vorlieben in Musik, Kleidung, Kommunikation und Gemeinschaftssinn.

Auch die Unabhängigkeit ist ihnen wichtig. Ähnlich war es bei den Snowboardern, die bei den Winterspielen 1998 in Nagano ihr Debüt gaben. Und vielleicht könnten in einigen Jahren auch Sportler auf dem Skateboard, dem Wakeboard oder auf Wasserskiern durch die Olympischen Spiele brausen. Als Kandidaten gelten auch die artistischen BMX-Kollegen im Freestyle. Voraussetzung, die das IOC vorgibt: Sie müssen in einem Weltverband organisiert sein.

Als Sammy Cools auf Vorurteile angesprochen wird, muss sie selbst lachen. Sie trägt eine kurze Hose, Flipflops und eine Sonnenbrille im Haar, entspannt sitzt sie auf ihrem Sattel und lässt die Arme herunterbaumeln. "Es sieht vieles nach Spaß aus", sagt sie. "Aber es ist nicht alles nur Spaß." Sammy Cools stammt aus der Nähe von Calgary, Kanada. Mit Funsportarten in die Zukunft? Cools, 22, blickt ungläubig: "So einfach ist die Sache nicht." Als sie drei Jahre alt war, haben ihre Eltern sie zum ersten Mal auf ein Minirad gesetzt, seither ist sie davon nicht mehr losgekommen. In der Pubertät begann sie, Wettkämpfe zu fahren, sie raste, sprang, flog über die welligen Kurse, meistens kam sie sogar als Erste ins Ziel. Der Unterschied zu den etablierten olympischen Sportarten? "Ich mache alles freiwillig und ich genieße."

Sammy Cools trommelt auf ihren Lenker. Sie hat zuletzt viel über chinesische Athleten gelesen, über ihre Kasernierung, ihr hartes Training, ihre Pflicht zu siegen. Bei ihr war das anders. Ihre Eltern kauften ihr gutes Material, sie fuhren sie zu Rennen, einmal bis nach Kalifornien. Oft konnte sie die Schule nicht besuchen, dann hat sie sich nach dem Training an die Bücher gesetzt. "Ich möchte Gold", sagt sie. "Aber die Welt würde nicht untergehen, wenn ich es nicht schaffe." Sie wurde eine gute Fahrerin, weil sie Spaß hatte, und sie hatte Spaß, weil sie eine gute Fahrerin war. "Das bedeutet nicht, dass ich es nicht ernst nehme."

Cools ist wie Rinderknecht und die meisten Fahrerinnen und Fahrer seit einigen Jahren Profi, auch dank Olympia. Sie hat es schwer, Sponsoren zu finden, genauso wie Ringer, Bogenschützen oder Gewichtheber, aber beschweren will sie sich nicht. "Wir müssen Ideen haben, aber auch Erfolg", erzählt sie Cools. Sie und ihre Kollegen können viel von diesem Sommerspielen lernen, aber die Spiele können auch einiges von ihnen lernen.

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