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: Wie schlägt man Spanien

Vor 16 Jahren kassierte eine Schweizer Nationalmannschaft zum letzten Mal ein WM-Gegentor, kurioserweise vom Spanier Txiki Begiristain. Vier Mal stand die Null. Trainer Ottmar Hitzfeld, seit zwei Jahren im Amt, fand also ein Fundament defensiver Tradition vor, als er seinen Masterplan für die WM-Sensation vom Mittwoch ersann. Seine Profis mögen keine Überfußballer sein, aber sie sind – die berühmte Schweizer Trainerschule – taktisch bestens ausgebildet.

Das ist die Grundvoraussetzung, um gegen Spanien bestehen zu können. Jedes harmlose Ausscheren aus dem Verbund, jede Missachtung der kollektiven Order kann den Meistern des Passspiels den kleinen Raum eröffnen, den sie benötigen, um eine erfolgreiche Kettenreaktion in Gang zu setzen. An eine offene Feldschlacht gegen die Europameister verschwenden Außenseiter wie die Schweiz von vornherein gar keinen Gedanken.

Taktische Disziplin hat auch Inter Mailand in der Champions League das Weiterkommen gegen den FC Barcelona ermöglicht. Weil Barça stilistisch und personell (Xavi, Iniesta, Busquets, Puyol, Piqué) das Laboratorium der Nationalelf ist, fürchtete deren Trainer Vicente Del Bosque damals, eine Blaupause für kommende WM-Spiele gesehen zu haben. Hitzfeld allerdings kopierte Mourinho nicht blind, er ließ sein Team nicht ganz so tief verteidigen und operierte zudem mit einem klassischen 4-4-2 statt einem 4-5-1.

Vor zwei dichten Viererlinien bot er neben dem von ihm so geschätzten Typus Wandstürmer (der Schweizer Luca Toni heißt Blaise NKufo) mit Eren Derdiyok einen eher wuseligen Angreifer auf, um den Spaniern die Spieleröffnung nicht ganz so leicht zu machen. Der wichtigste Schlüssel bestand jedoch darin, ihnen die Mitte zu verbauen. Benjamin Huggel und Gökhan Inler in der Doppelsechs verhinderten mit hoher Konzentration die Pässe in die Schnittstellen zwischen Abwehr und Mittelfeld. Dadurch wurden die Spanier gezwungen, über die Flügel zu operieren – oft mit hohen Bällen. Bei der Körpergröße ihrer Spieler ist das aber nicht ihre größte Stärke.

Für den Schweizer Treffer in der 52. Minute sorgte ein klassischer Hitzfeld-Angriff, wie man ihn früher beim FC Bayern in Serie bestaunen konnte. Weiter Abschlag vom Torwart, ein gewonnenes Kopfballduell, eine schneller Sprint (Derdiyok) und die Insistenz eines nachrückenden Mittelfeldspielers (Gelson Fernandez). In der Schlussphase spielte die wachsende Nervosität der Spanier den Schweizern in die Hände, Hitzfeld hatte sie endgültig dort, wo er sie haben wollte: Ein hoher Ball nach dem anderen segelte in den Strafraum, relativ problemlos entschärft von seinen taktisch gut ausgebildeten Profis. FLORIAN HAUPT